Friday, July 9, 2010

I.ii "Odyssee" - Präludium

Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen!
Johann Wolfgang von Goethe (1746-1832)


In vielen Sprachen ist der Begriff „Odyssee“ zu einem Synonym für lange Irrfahrten geworden. Eine Reise, die alle Kraefte raubt und oft auch in Verzweiflung, Resignation und Demut endet, fuer den, der tollkuehn genug ist, sich ihr auszuliefern.

Was kann einen Menschen dazu bringen, eine solche Last auf sich zu nehmen? Einen grossen Teil seines Vermoegens und auch seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen, nur um ein weit entferntes, scheinbar utopisches Ziel zu erreichen?

Die Emotionen, die ein jeder von uns besitzt sind stark. Viel staerker als wir oft vermuten, als wir hoffen und manchmal auch als wir befuerchten.

Hass kann Familien zerstoeren. Mitleid kann Leben retten. Liebe kann Menschen veraendern.
Gefuehle sind es, die oft mehr als alles andere unseren Alltag und unsere Lebensplanung bestimmen. Mehr als der Verstand, mehr als Vorschriften und Gesetze, mehr als blosse physikalische Schranken.

Sie sind es auch, die Menschen dazu treiben, Aussergewoehnliches zu leisten, Grenzen zu sprengen und das Unwahrscheinliche, das Unglaubliche, Realitaet werden zu lassen.

Sie sind der Treibstoff fuer Irrfahrten. Angefangen bei Odysseus, der ihnen den Namen gab, ueber Pioniere wie Ferdinand Magellan bis hin zu heutigen Idolen wie Lance Armstrong und Nelson Mandela. Trotz scheinbar unueberwindbarer Hindernisse gaben sie nicht auf und wuchsen ueber sich hinaus und schrieben Geschichte.

Nach demselben Prinzip, wenn auch mit ungleich geringerer Bedeutung fuer die Menschheit, trieb es mich heraus aus meinem sicheren kleinen Haus hier in Paraguay, um einen inneren Schmerz zu ueberwinden, der mich bereits seit vielen Monaten seelisch quaelte und misshandelte: Sehnsucht!

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Jedem Freiwilligen, der im Rahmen des Anderen Diensts im Ausland (ADiA) einen Entwicklungsdienst leistet, stehen 26 Urlaubstage zu. Entsprechend hatte ich mir ueberlegt, mein Kontingent moeglichst auf einmal zu nutzen, um mein Reiseerlebnis moeglichst intensiv werden zu lassen.

Den Grund fuer meine Reise habe ich allerdings bisher ebensowenig erklaert wie das Reiseziel. Er ist simpel und dennoch von aller groesster Bedeutung.

All dies geschah, weil ich meine Freundin wiedersehen wollte! :-)

Sie war neben meiner Familie das Wichtigste, was ich fuer ein Jahr in Deutschland zuruecklassen musste. Doch das haette ich kaum fuer einen Zwoelfmonat ausgehalten. Daher stand fuer uns schon von Anfang an fest, irgendwie zu versuchen, sich in der Zwischenzeit zu treffen. Und sei es nur fuer ein paar Wochen.

Wir einigten uns schliesslich auf die USA, da wir beide das Land sehr moegen und ich dort auch Familie habe, bei der wir unterkommen konnten. Da wir allerdings zunaechst alles genauestens planen wollten, verschob sich die Reise bis auf Ostern.

Nach langen, tri-kontinentalen Absprachen war dann endlich die Reiseroute festgesetzt und es konnte losgehen.

Ich war erleichtert, nervoes. Aber dennoch vollkommen davon ueberzeugt, dass die Reise vor lauter Aufregung schnell und einfach von statten gehen wuerde und ich bald in den Vereinigten Staaten ankommen sollte, um meinen Schatz endlich wieder in die Arme schliessen zu koennen.


Ich hatte ja keine Ahnung...

(Fortsetzung folgt)

1 comment:

  1. Oh mann, ich kenne wirklich niemanden, der so penetrant auf seinen Blog aufmerksam machen muss. Aber nun gut...es funktioniert ja.

    Und wer so schreibt wie du, hat es auch zu 100% verdient gelesen zu werden. Der vorherige Eintrag war ein wenig...naja...aber die Einleitung, die ich hier gerade gelesen habe, ist stilistisch einfach perfekt! Dir gelingt es wunderbar Uerberleitungen zwischen den verschiedenen Themen herzustellen, setzt rhetorische Fragen an den richtigen Stellen ein und klingst im Gegensatz zu manch anderem deiner Artikel kein bisschen ueberheblich oder uebertrieben (und genau das ist das schwierige, wenn man von so etwas grossem wie der odyssee auf seinen urlaub hinfuehren moechte). Alles passt! Hat mir sehr viel Spass gemacht zu lesen!

    Absolut exzellent auch dein spielerischer Umgang mit Worten und Metaphern. Aber das kenne ich ja schon aus aelteren Artikeln (meine Favoriten sind immer noch "carpe den diem" und natuerlich der "5-uhr-Terere").

    Super Artikel!
    Esteffi

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