Saturday, October 30, 2010

Unverfälscht und rein!

Nach nunmehr längerer Pause stelle ich euch den von der Presse unberührten Originaltext meines Artikels ins Netz, damit ihr sehen könnt, was ich euch eigentlich mitteilen wollte. Auch ist diese Art der Präsentation möglicherweise zugänglicher als der doch etwas umständliche Zeitungsartikel.

Ohne lange Vorrede, weise ich an dieser Stelle nur noch einmal darauf hin, dass ich vermutlich noch einen weiteren Artikel hochladen werde, der allerdings noch nicht publiziert wurde. Um meine PR-Agenten nicht unnötig zu verärgern, warte ich aber noch ein wenig damit, auch wenn das heißt euch noch etwas auf die Folter spannen zu müssen.

In diesem Sinne,

euch nur das Beste! Jan

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Zwischen Himmel und Hölle – Ein Jahr Freiwilligendienst in Paraguay

Feierabend. Ein kleiner Bus, 50 Passagiere. Alles schwitzt, seufzt und wartet sehnlichst auf eine kühle Dusche, die bei den knapp 40 Grad im Schatten auch bitter nötig ist. Und mitten drin ein junger Deutscher, den es aus lauter Abenteuerlust in die Ferne verschlagen hat. Wir befinden uns im südamerikanischen Paraguay, genauer gesagt in der Hauptstadt Asunción, wo ich im Rahmen eines „Anderen Dienstes im Ausland“ (AdiA) ein Jahr lang für eine non-profit Organisation arbeitete.

Hergekommen bin ich durch das von der Bundesregierung gesponserte Programm „weltwärts“, das jungen Erwachsenen ermöglicht, ohne finanzielle Selbstbeteiligung einen AdiA oder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einem sozialen Projekt eines anderen Landes zu arbeiten. Man bewirbt sich dafür bei einer der zahlreichen Entsendeorganisationen, die Partnerprojekte vermitteln und einem meist auch das gesamte Jahr betreuend zur Seite stehen. Ich bekam im Frühling 2009 durch den American Field Service (AFS) schließlich einen Platz in Paraguay zugeteilt, den ich dankend annahm.

Seit kurzem bin ich nun wieder zuhause in Deutschland angekommen und kann auf zwölf Monate voll spannender, trauriger und auch verrückter Erlebnisse zurückblicken.
Anfangs hatte ich noch einige Startschwierigkeiten, da ich keinerlei Spanisch sprach und die Bevölkerung dort zum allergrößten Teil kein Englisch versteht. Deshalb verging in den ersten Wochen kaum ein Tag, an dem ich nicht mit meinem dicken PONS-Wörterbuch durch die Straßen marschierte und oft erst lange blättern musste, bis ich auf alltägliche Fragen antworten konnte. Glücklicherweise war ein 4-wöchiger Sprachkurs verpflichtender Teil des Programms, wo anderen Freiwilligen und Austauschschülern aus ganz Europa und mir in Kleingruppen die Weltsprache näher gebracht wurde. AFS organisiert im Weiteren auch stets zwei Vorbereitungscamps in Deutschland, drei Orientierungscamps im Gastland sowie zwei Nachbereitungen im Heimatland. Ferner werden für uns Gastfamilien gesucht, interviewt und ausgewählt, sodass ein möglichst effektives Eintauchen in die neue Kultur gewährleistet wird.

Auch die an die Sitten musste ich mich zunächst einmal erst gewöhnen. Öffentliches Urinieren oder Spucken gehört zwar auch dort nicht unbedingt zum guten Ton, ist aber etwas ganz Normales, über das sich niemand aufregt. Generell sind die Paraguayer auch sehr neugierig, besonders bei hellhäutigen Ausländern. So kommt es oft vor, dass man auf der Straße angesprochen oder einem beim Vorbeigehen nachgepfiffen wird. Dennoch ist die Herzlichkeit der Leute dort einzigartig, ebenso wie die fast ganzjährig hohen Temperaturen. Egal wie arm jemand ist, es fehlt trotzdem nie an einem Lächeln oder einer Einladung zum Essen. Man kann im Grunde die Straße einer Wohnsiedlung entlanglaufen und sich einfach zu einer Runde dazusetzen und bekommt höchstwahrscheinlich auch noch etwas zu essen und trinken serviert. Die Gastfreundlichkeit hat mich tief beeindruckt und fehlt mir mittlerweile auch sehr, da gerade die Deutschen ja als eher rationalistisch und eigenbrötlerisch gelten. So wäre es hier bei uns nahezu undenkbar mit einem Fremden, der uneingeladen auftaucht auch noch das Steak und Bier zu teilen.
Wo wie schon beim Essen sind – das ist erstaunlicherweise gar nicht mal so unterschiedlich von der deutschen Küche. Wen wunderts, bei all den deutschen Mennoniten, die vor allem im Norden des Landes ihre Siedlungen haben und schon viel für den wirtschaftlichen Aufschwung getan haben. Es werden vor allem herzhafte Nahrungsmittel wie Reis, Nudeln, Rindfleisch und Maniok, eine der Kartoffel sehr ähnliche Knollenfrucht, verzehrt. Generell sind die Speisen sehr fettig und kalorienreich. Auf gesunde Ernährung wird wenig Rücksicht genommen, was aber oft auch an einem Mangel an Aufklärung und Geld liegt. Woran keinen Mangel bestand, war die Begeisterung bei der Fußball-WM. Noch nie zuvor war die Nationalelf Paraguays, auch „Albirroja“ (die Weißroten) bis ins Viertelfinale durchgedrungen. Aber auch ohne derartige Leistungen waren die Herzen aller Einwohner bei ihren kickenden Landsleuten. Patriotismus wird hier sehr großgeschrieben und so kam es, dass viele Spiele mit wild gestikulierten Gebärden und Flüchen angeschaut wurden, meist auch in größeren Gruppen, da es sich so ja auch besser feiert. Neben dem Einzug in die cuartos war aber vor allem das Ausscheiden des Erzrivalen Argentiniens das absolute Highlight für jeden mit auch nur einem Fünkchen Nationalstolz.
Was die allgemeine Sicherheit anbelangt, kann man sagen, dass ich weder beklaut oder ausgeraubt wurde, noch jemals um mein Leben fürchten musste; abgesehen von einem dreitägigen Krankenhausaufenthalt, den mir eine Lebensmittelvergiftung eingebracht hatte. Es stehen zwar oft Soldaten mit Maschinengewehren an Straßenecken und fast jede besser gestellte Familie hat eine Alarmanlage, aber dennoch ist die Kriminalität keinesfalls so ausgeprägt wie etwa in Kolumbien. Dennoch sollte man stets Acht geben und nicht leichtsinnig sein, da ein Portemonnaie schnell mal aus der Hosentasche stibitzt werden kann.
Der eigentliche Grund meines Kommens war jedoch die Arbeit bei der Nichtregierungsorganisation Tierranuestra, die sich vor allem für Umweltschutz einsetzt. Meine Aufgaben dabei waren primär das Betreuen von Kindern und Jugendlichen an Schulen, wo wir Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität durchführten. Dies taten wir mit Präsentationen, Spielen und sozialen Aktionen, wie etwa dem Aufstellen selbstbemalter Mülleimer auf dem Schulhof oder dem Anlegen von Gärten. Meine Kollegen waren stets sehr hilfsbereit und halfen mir dabei, mich in die fremde Kultur gut einzuleben.
Insgesamt habe ich ein unglaublich lehrreiches Jahr erleben dürfen, in dem ich neben der sprachlichen auch Einiges an sozialer Kompetenz habe mitnehmen können. Es fällt mir oft auf, dass ich mehr Geduld habe und etwas nicht gleich ablehne, nur weil es mir zunächst noch fremd erscheint. Auch habe ich viele ganz besondere und wunderbare Menschen getroffen, die ich sehr vermissen werde.
Abschließend kann ich wirklich nur jedem, der an einer Horizonterweiterung interessiert ist, dazu raten, sich auf das Abenteuer einzulassen und mutig seinen Blick „weltwärts“ zu richten. Für alle, die mehr über meine Erfahrungen und Erlebnisse lesen möchten, habe ich einen Blog (www.janinparaguay.blogspot.com) eingerichtet, auf dem ich über das Jahr hinweg in wöchentlichen Abständen immer wieder neue Eindrücke festgehalten habe. Ich freue mich stets über neue Leser.

Saturday, October 9, 2010

„Jan in Paraguay" in der Zeitung!!

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen auf meiner Seite. Nunmehr zwei Monate ist es her, dass ich wieder in deutschen Gefilden weile. Selbstverständlich habe ich versucht meine Erfahrungen etwas publik zu machen und natürlich auch meinen Blog noch einmal ordentlich anzupreisen.
Hier ist also der Artikel, der kürzlich erschienen ist. Ich wurde zunächst aufgefordert einen eigenen Text zu schreiben, was ich auch tat. Die Redaktion hat diesen dann aber gekürzt und teilweise verändert, um ihn für die breite Masse verständlicher zu machen. Ich persönlich sah dies als einen Angriff auf meine künstlerische Freiheit, aber wozu leben wir schließlich in Deutschland, wo Nutzen stets vor Ästhetik kommt.

Deshalb werde ich euch nächste Woche den Originaltext hochladen, damit ihr seht wie das Ganze ausgesehen hätte, wenn ich die Fäden in der Hand gehabt hätte. Das war aber nicht der Fall. Noch nicht.

Erwähnt sei auch, dass ich aus Datenschutzgründen persönliche Daten entfernt habe. Auch ist der Text an manchen Stellen etwas verschwommen zu lesen, da der Scanvorgang nicht ganz optimal verlaufen ist. Aber ihr könnt manche Textstellen auf dem zweiten Bild nachlesen, sollte es gar nicht gehen.

Summa summarum, hier erst einmal der Artikel. Kommentare sind wie immer gerne gesehen.



Wednesday, August 18, 2010

AFS Abschlussbericht 2/2

Nach kurzer Bedenkzeit, lasse ich euch nun nicht weiter im eigenen Saft schmoren und serviere euch jetzt frisch den zweiten und letzten Teil meines AFS-Abschlussberichts. Guten Appetit!

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Ferner muss Einiges zur Betreuung berichtet werden. In erster Linie war ja AFS Paraguay für mein Wohlergehen verantwortlich. Man muss sagen, dass ich, zumindest in Bezug auf meine Familiensuche, schwer von AFS im Stich gelassen wurde und deshalb fast ein halbes Jahr kein nettes heimisches Umfeld hatte, obwohl ich oft versuchte, mit meinen neuen Familien ins Gespräch zu kommen. Auch waren die Camps im Ausland sehr mangelhaft, da man erst kurz vorher über die Details und vor allem die Daten informiert wurde. So war Urlaubsplanung oft schwer und wurde auch nicht berücksichtigt. Der Tiefpunkt war, dass wir „weltwärts´ler“ ein separates Abschiedscamp haben sollten, was bedeutete, dass wir unsere anderen AFS-Freunde zum Schluss nicht mehr zusammen hätten sehen können. Doch zum Glück ließ sich dies noch ändern, wenn auch nur unter Protest seitens AFS.
Verpflichtend waren im Weiteren zwei Wochen Vorbereitungsseminar in Deutschland, an denen ich viele andere deutsche Freiwillige kennen lernen konnte, die auch ein Jahr im südamerikanischen Ausland verbringen sollten.
In Paraguay angekommen, hatten wir dort ebenfalls noch ein eintägiges Arrival-Camp, das uns mit dem notwendigsten Basiswissen über das Land und die dortigen Sitten versorgte, was uns zuvor in Deutschland eigentlich kaum erklärt wurde. Neben einem zweitägigen Midstay- und einem dreitägigen End-of-Stay Camp, erwarten uns nun noch zwei jeweils dreitägige Returnee-Camps in Deutschland. Letztere emfinde ich allerdings als etwas störend, da ich eine komplette Woche Nachbereitung bevorzugt hätte, anstatt zweimal für drei Tage während der Vorlesungszeit meiner Universität anreisen zu müssen. AFS Deutschland hat die VBs zufriedenstellend organisiert, war während meines Auslandsjahres jedoch sehr langsam bei Anfragen und hat Verantwortung oft an AFS Paraguay abgewälzt, die umgekehrt ähnlich reagierten.
Auch Konflikte gab es sicherlich, allerdings kaum in Bezug auf meine Arbeit, da sie dort alles sehr professionell und verständnisvoll zu handlen pflegten. Mit meinen Gastfamilien gab es auch nie wirkliche, offene Probleme, abgesehen davon, dass ich nach Meinung meiner ersten Gastmutter zu viel äße und deshalb teilweise selbst für mein Essen aufkommen sollte. Dies tat ich dann auch, was die Meinungsverschiedenheit beseitigte. Andere, latente Konflikte, die nur bei meinen ersten beiden Heimen auftraten, waren hingegen weitaus schwerer zu lösen. Die Chemie stimmte einfach nicht und es gab kein gegenseitiges Verständnis. Ich merkte mit der Zeit aber auch, das einfach kein Interesse ihrerseits bestand, unser Verhältnis zu verbessern. Daher zog ich mich entweder in mein Zimmer zurück, ging mit Freunden aus oder stürzte mich in die Arbeit.

Auch der sprachliche Aspekt spielte eine große Rolle in Paraguay. Wie bereits erwähnt, beherrschte ich das Spanisch zu Beginn kaum. Ich hatte zwar ein Gruppenstunden genommen und ein paar Wörterbücher akquiriert, aber ansonsten war ich recht unvorbereitet. Das rächte sich dann auch in den ersten Wochen, da ich kaum etwas verstand. Doch das Eintauchen in die neue Kultur und Sprache sorgte schon schnell für erste Erfolgserlebnisse und es ging schließlich rapide bergauf. Nach ein paar Monaten war Spanisch auch kein Problem mehr. Da weder meine Familie noch meine Arbeitsstelle über Leute mit Englischkenntnissen verfügte, war ich von Anfang an gezwungen, an meinem Spanisch zu arbeiten. Insgesamt hat sich mein Spanisch stark verbessert und war gegen Ende des Jahres auch fließend, sodass ich auch gehobene Literatur lesen konnte, wenn auch etwas langsamer als in Englisch oder Deutsch. Geholfen hat mir auch der obligatorische 4-wöchige Sprachkurs am Anfang, der immer werktags ca. 2 Stunden lang andauerte und andere AFSer und mich mit den wichtigsten grammatischen Grundregeln vertraut machte.
Die Reaktionen auf mangelnde Sprachkompetenz waren sehr unterschiedlich. Meine Gastfamilien waren meist sehr verständnisvoll, auch wenn man merkte, dass sie bei Nichtverstehen oft aus Höflichkeit so taten, als hätten sie mich verstanden. Meine Kollegen waren ebenfalls meist sehr mitfühlend. Leider wurde ich nur von sehr wenigen Leuten verbessert, da es im Allgemeinen als Beleidigung ausgelegt werden könnte, als Besserwisser da zu stehen. Mein letzter und richtiger Gastvater allerdings korrigierte mich recht oft, da er weiß, wie es der Spracheentwicklung schadet, bestehende Fehler nicht zu beseitigen. Viele der Kinder, die wir betreuten waren hingegen weniger vollendet in ihren Manieren und hielten sich nicht damit zurück, meinen Akzent nachzuäffen, was mich oft etwas verärgerte, ich aber zu tolerieren lernte, da sie es meist nicht böse meinten und mich auch oft als ihren Lieblingsbetreuer bezeichneten.

Letztlich ist es auch von entscheidender Bedeutung den Aspekt der Entwicklungspolitik während meines Jahres näher ins Auge zu fassen.
Als durchschnittlicher Deutscher ist man zwar nicht ungebildet und weiß durchaus über viele der globalen Probleme Bescheid, hat seine Informationen aber doch meist nur aus Medien oder Erfahrungsberichten anderer. Konkret hatte ich nun das Privileg, selbst einmal einen Blick hinter die Pressekulissen zu werfen und auch aktiv an Entwicklungsarbeit teilzunehmen. Dabei konnte ich lernen, dass einige Punkte unerlässlich für eine erfolgreiche Umsetzung der angestrebten Ziele sind.

Dazu gehört zunächst eine durchdachte Planung, da man sonst im Nachhinein zu viele Lücken notgedrungen stopfen muss und so das gesamte Projekt in Qualität und Effektivität leiden würde. Des Weiteren muss auch das Equipment am Stichtag parat liegen, was regelmäßige Inventuren und gewissenhaftes Sortieren erfordert. Außerdem ist ein eingespieltes Team unverzichtbar, das gut miteinander harmoniert, um die praktische Durchführung möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen. Auch die Koordination des Leiters ist von großer Bedeutung, damit jeder weiß, was er zu tun hat.
All dies klingt logisch und offensichtlich, war mir aber noch nicht in diesem Maße aus der Praxis bekannt. Insgesamt benötigt Entwicklungsarbeit, wie jede andere Art von Dienstleistungen, ein gutes Management, um funktionieren zu können. In dieser Hinsicht habe ich also auch viel für meine späteren Jobs lernen können, allerdings ohne das Risiko gefeuert zu werden oder unter Konkurrenzdruck stehen zu müssen.
Auch wenn die Arbeitswelt in Paraguay sicherlich anders aussieht als in Europa oder den USA, so sind viele Gemeinsamkeiten erkennbar, die zunächst vielleicht gar nicht so schnell ins Auge fallen. Beispielsweise gibt es in jedem Land, auch den vermeintlich reichen, immer noch reichlich Verbesserungsbedarf. Die soziale Schere öffnet sich auf Landes- und Weltebene immer weiter. Arme werden immer ärmer und Reiche immer wohlhabender. Dies sind Probleme, die sich nicht innerhalb eines Jahres, einer Legislaturperiode und wahrscheinlich auch nicht einer Generation lösen lassen. Was man aber tun kann, ist sich für eine Verbesserung des Status Quo einzusetzen und seinen Teil zu einer gerechteren Koexistenz der verschiedenen sozialen Schichten beizutragen.
Auch wenn ich jetzt nicht den wohlbekannten und oft auch naiven Weltverbesserungstenor anschlagen möchte, so sehe ich es trotzdem, gerade auch in Hinsicht auf meinen abschließenden Bericht, als Pflicht an, hier die Wichtigkeit einer pro-entwicklungspolitischen Einstellung deutlich zu machen.

Schlichte Aktionen wie Recycling, Car-Pooling oder angemessener Strom- und Wasserverbrauch können bereits Einiges zum Naturschutz beitragen und sind Maßnahmen, die das eigene Leben kaum einschränken. Der Fakt, dass dies und Ähnliches überall auf der Welt möglich ist und es auch fast in jeder Ecke unseres Planeten Menschen gibt, die die Zeichen der Zeit nicht ignorieren, sondern einen aktiven Beitrag zum Erhalt und Förderung unserer Natur und Lebensqualität leisten, lassen darauf schließen, dass wir es hier keineswegs mit einem nationalen Phänomen zu tun haben. Tatsächlich ist Entwicklungspolitik längst globalisiert und viele Organisationen wie etwa Amnesty International sind schon seit langem ein einziges großes Netzwerk, die dadurch nicht nur beweglicher und ressourcenreicher sind, sondern auch schnell und effizient Lobbyismus betreiben können, um akute Konflikte erfolgreicher anzugehen.
Da man so auch vom Wissen der vielen anderen Experten eines unbekannten Arbeitsfeldes profitieren kann, hat sich gemeinsames globales Lernen stets bewährt.

Das galt auch für mich, da ich Einblick in Arbeitsweisen und Techniken hatte, die ich zuvor noch kaum verstand. Arbeitsteilung war eine der wichtigsten Lektionen, da jeder Mensch andere Talente hat, die es zu erkennen und nutzen gilt. Ein Unternehmen oder Chef, der eben dies beherrscht, kann somit ein ungleich besseres Ergebnis erzielen, als wenn er einfach unüberlegt Befehle erteilen würde.

Auch war mir Vieles anfangs unverständlich, etwa dass nur rund drei Personen auf meiner Arbeitsstelle über einen Führerschein verfügten, der ja heutzutage in Deutschland fast unerlässlich ist. Bald stellte sich aber heraus, dass in Paraguay der Transport mit Bus oder Moped in keinster Weise dem Automobil unterlegen ist. Außerdem gab es durch die bereits angesprochene Arbeitsteilung oft auch keinen Anlass zu einer Großmobilisierung des Personals. Dies war für mich ein Paradebeispiel, dass das Gewohnte nicht immer die einzig richtige oder gar beste Lösung darstellt.

Natürlich werde ich das Gelernte nicht wieder vergessen oder gar ungenutzt verkommen zu lassen. Es gibt meiner Ansicht nach mehrere Möglichkeiten die gesammelten Erfahrungen an den Mann zu bringen. Zunächst gibt es natürlich das allgemeine Gespräch, will sagen, die Möglichkeit zu erzählen, was ich so erlebt habe und wie wichtig Engagement im Allgemeinen überhaupt ist. Weiterhin könnte ich diverse Organisationen wie AFS oder Tierranuestra, meinen vormaligen Arbeitgeber, durch Freiwilligenarbeit, Spenden oder Spendenaufrufen unterstützen. Ferner sehe ich meinen Blog [www.janinparaguay.blogspot.com (Deutsch) oder www.pruegmeister.blogspot.com (Englisch)] als geeignetes Medium, das bereits viele Leute erreichen konnte, um über meine Arbeit und positiven Erfahrungen zu berichten. Außerdem hoffe ich, später einmal verschiedene erfolgreiche Arbeitsweisen, die ich in Asunción kennen lernen durfte, in meinem Beruf umsetzen zu können. Auch die Motivierung der Kollegen sollte nicht zu kurz kommen. Denn das gute Arbeitsklima, das bei uns herrschte, war zwar freundlich und entspannt, aber gleichzeitig auch anregend. Das war meist das Resultat zufriedener Angestellte, die pflichtbewusst und mit Respekt von ihrem Vorgesetzten behandelt wurden. Etwas, das beispielsweise in Deutschland leider noch Mangelware ist.

Dieses Jahr ist sicherlich nicht spurlos an mir vorbeigegangen und hat mir viele interessante Erlebnisse und auch neue Freunde aus aller Welt beschert. All dies geschah durch die Unterstützung von AFS, das in der Abwicklung und Praxis zwar viele Mängel und Fehler an den Tag legte, was aber auch teilweise individuell zu begründen war, sprich an bestimmten Einzelpersonen lag, was mich dazu veranlasst, noch einmal zu betonen, dass der Grundgedanke von AFS, nämlich der interkulturelle Austausch etwas Wunderbares ist, das ich jedem nur ans Herz legen kann. Schließlich ist ja auch niemand perfekt und deshalb nehme ich die Mankos nicht weiter übel, sondern möchte im Gegenteil dabei helfen, das Programm weiter zu verbessern.

Da ich doch sehr kapitalistisch eingestellt bin, habe ich keinesfalls vor, selbst hauptberuflich in der Entwicklungsarbeit tätig zu werden. Dieses Jahr war ein tolles Erlebnis, aber hat nicht für eine völlige Umwälzung meiner Pläne und Prinzipien gesorgt. Dennoch möchte ich etwas zurückgeben. Zwar ist Geld bei mir, wie wohl fast jedem Studenten, eher Mangelware, jedoch würde es mich reizen, bei Vorbereitungsseminaren als Betreuer mit dabei zu sein, wenn es mein Studium zulässt.

Abschließend bin ich sehr dankbar für all das, was ich von meinem Jahr in Paraguay mitnehmen kann und hoffe, auch weiterhin davon profitieren und mein Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen zu können.
Es war ein Schritt ins Ungewisse damals und ich wollte, offen gesagt, auch mehrmals aufgeben. Selbst den „Brief für einen schwarzen Tag“, der uns als Kraftquelle mitgegeben wurde, hatte ich zuhause vergessen. Doch mit Unterstützung der Menschen, die mir nahestehen und meinem nicht zu unterschätzenden Sturkopf habe ich dann doch durchhalten und sogar Spaß haben können. Deshalb freue ich mich, dass die BRD jungen Menschen wie mir etwas Derartiges ermöglicht und es Vereine wie AFS gibt, die einen tatkräftig unterstützen und dabei helfen, das Beste aus sich herauszuholen.

Danke für alles, AFS und "weltwärts"!

Wednesday, August 11, 2010

AFS Abschlussbericht 1/2

Nachdem ich nun wieder daheim in Deutschland angekommen bin, kann ich auch immer ruckzuck meine Post lesen, ohne sie extra einscannen und verschicken lassen zu müssen. An sich etwas Positives. Leider war letztens aber auch ein Brief von AFS, meiner Entsendeorganisation, dabei, in dem ich aufgefordert wurde, einen 5-seitigen Abschlussbericht als Feedback über meinen Auslandsaufenthalt zu verfassen.
Dies soll einerseits dazu beitragen das Programm auf eventuelle Schwachstellen zu überprüfen und andererseits als Informationsquelle für zukünftige "Hopees" dienen, die sich ein Bild über das vorübergehende Leben in einer anderen Kultur machen möchten.
Aufgrund der Länge halte ich es für sinnvoller, den Bericht, welchen ich euch natürlich nicht vorenthalten will, in zwei Teilen zu veröffentlichen. Der Stil ist diesmal eher etwas sachlicher gehalten als ihr es von mir kennt, aber das hat ein Bericht nun mal so an sich. Dennoch hoffe ich, dass ihr meine Zeilen lest, bewertet und natürlich auch auf meinem Blog kommentiert.
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Dieser Abschlussbericht wird sich mit verschiedenen Aspekten meines Auslandsjahres in Paraguay beschäftigen. Mein Name ist Jan, 21, und ich wohnte und arbeitete knapp ein Jahr in der Hauptstadt Asunción. Mein Arbeitgeber war die Nichtregierungsorganisation „Tierranuestra“, die sich primär für Umweltschutz und musikalische Jugendbildung einsetzt.

Um die komplexen Sachverhalte besser darstellen zu können, werde ich versuchen, die einzelnen Teilbereiche separat aufzulisten.

Zunächst möchte ich über den Eindruck, den Land und Leute bei mir hinterlassen haben, sprechen.
Anfangs schien mir Paraguay eigentlich nicht sehr fremd, da ich Vieles aus Deutschland wiedererkannte. Selbst das Essen bestand aus keinen seltsamen neuen Nahrungsmitteln, wie man es sonst von einem weit entfernten Land erwartet. Das einzig Unbekannte am Esstisch war gekochter Maniok, doch selbst der war der heimischen Kartoffel nicht allzu unähnlich. Auch wurden viele Limonaden und Wasser getrunken. Insgesamt kam mir alles wie eine ärmere Version Deutschlands vor; etwa so wie man sich Osteuropa vorstellt. Da ich anfangs in einer temporären Familie untergebracht war, kam ich in das nächstbeste Heim, das mir AFS anbieten konnte. Ich war in einem 3-Personenhaushalt untergebracht, die alle bei der Polizei beschäftigt waren. Die Unterkunft war insgesamt recht bescheiden, zumindest aus meiner mitteleuropäischen Sicht. Es war ungewohnt für mich, kein eigenes Zimmer mehr zu haben, sondern mehr oder weniger im Durchgang schlafen und sämtliche Besitztümer in meinem Koffer aufbewahren zu müssen. Es war also ein Verlust der Privatsphäre gegeben. Zudem sprach ich kaum Spanisch, was mich sehr zum Schweigen verurteilte. Normalerweise bin ich eher redselig und auch argumentativ. Plötzlich meiner verbalen Werkzeuge entrissen worden zu sein, machte mich daher nicht nur hilfloser, sondern verärgerte und frustrierte mich auch des Öfteren. Insgesamt war auch das Verhalten meiner Gastfamilie eher zurückhaltend und ich fühlte mich zunehmend als Bürde. Nach kurzer Zeit wurde ich auch dazu gezwungen, Geld für Nahrungsmittel beizusteuern. Mein Eindruck von den Paraguayern wäre also recht negativ gewesen, wenn mich die Leute auf meiner Arbeit nicht vom Gegenteil überzeugt hätten. Nicht nur waren sie im Gegensatz zu meiner Gastfamilie neugierig und höflich, sondern kümmerten sich auch stets um mich und fragten oft nach, ob es mir an nichts fehle.
Während ich in den ersten Wochen und Monaten noch lernen musste, die manchmal übertriebene Neugierde und auch teilweise deftigen Manieren der paraguayischen Bevölkerung zu akzeptieren, gewöhnte ich mich mit der Zeit aber doch daran und fand die herzlich plumpe Art der Leute meistens auch sehr sympathisch. Sogar so sehr, dass mir viele Deutsche mittlerweile recht unfreundlich und desinteressiert bis hin zu abweisend vorkommen.
Ungewohnt war für mich auch die ständige Hitze, die schlechte Infrastruktur und vor allem das Nationalgetränk, der Tereré, eine bestimmte Art Kräutertee, der meist kalt verzehrt wird.
Da ich vom Land komme und ein Auto für mich stets ein Muss gewesen ist, war ich zunächst etwas verwundert immer Busse für jeglichen Transport nehmen zu müssen. Doch an all diese Dinge gewöhnte ich mich schnell und Vieles davon fehlt mir nun auch. Ich bin hier in Deutschland jetzt deutlich weniger mobil, friere meist und will meine tägliche Ration Tereré nicht missen.

Da Paraguay mit einem Durchschnittsalter von etwa 21.9 im Vergleich zu Deutschland mit 44.3 Jahren demographisch gesehen ein sehr junges Land ist, habe ich immer viel mit Gleichaltrigen bzw. jungen Erwachsenen und Teenagern zu tun gehabt. In allen drei Gastfamilien, in denen ich während meinem Auslandsjahr untergebracht war, hatte ich mindestens zwei Gastgeschwister, die durchschnittlich erst 16,25 Jahre alt waren. Auch auf meiner Arbeit habe ich vor allem mit Kindern zusammengearbeitet. Meine Arbeitskollegen waren ebenfalls fast alle in ihren Zwanzigern. Dies war für mich ein extrem positiver Aspekt, da Gleichaltrige oder junge Menschen, meiner Meinung nach, generell offener und neugieriger sind als ältere Personen. Auch konnten sich Erstere eher in meine Situationen einfühlen.

Selbstverständlich gab es neben Gegensätzen wie liberale Zeiteinteilung, Bildungslücken und allgemein ungesunde Ernährung auch viele Gemeinsamkeiten, die mir gerade am Anfang halfen, mich in die neue Gesellschaft und Kultur zu integrieren. Beide Nationen sind große Fans des Fußballs, was stets half, ein gemeinsames Gesprächsthema zu finden. Da zwei der besten Spieler des Landes beide mal in Deutschland gespielt haben bzw. immer noch dort tätig sind, war mein Heimatland nie völlig unbekannt. Weiterhin ist wichtig zu erwähnen, dass Paraguay die deutsche Verfassung komplett übernommen hat und die politischen Systeme, zumindest theoretisch, nahezu identisch sind. Ein Kontrast ist hingegen der Grad der Korruption, der im Vergleich zu Südamerika in Deutschland noch überschaubar ist. Generell sind Menschen aber überall ähnlich, finde ich. Jeder möchte glücklich sein und in Frieden und finanzieller Sicherheit leben. Die Wünsche sind sehr vergleichbar, was dazu führte, dass man immer gut über Politik und die Mängel dieser diskutieren konnte.

Wichtig ist es sicherlich auch, meine Arbeit etwas näher zu beschreiben.
Die Aufgaben, welche mir aufgetragen wurden, waren sehr vielfältig. Das lag vor allem daran, dass wir mit meiner Arbeitsstelle viele unterschiedliche Projekte durchgeführt haben. Die offizielle Bezeichnung meiner Anstellung wäre wohl „Betreuer“, wobei oft auch andere Leistungen wie Übersetzungen, Aufräumen oder Katalogisieren dazukamen. Wenn wir an Schulen gingen, um in Form von Vorträgen und Spielen den Kindern Umweltschutz näherzubringen, war ich anfangs beim Aufbau, Vorbereitung und Transport von notwendigen Materialien beschäftigt. Als sich mein Spanisch dann verbesserte, konnte ich auch Spiele erklären und mich aktiver in die Präsentationen einbringen.
Die Arbeitsstunden haben das Jahr über sehr variiert. Im ersten Monat arbeitete ich nur vormittags, da nachmittags mein obligatorischer Spanischkurs stattfand. Von Ende August bis Mitte Dezember musste ich vergleichsweise viel arbeiten, teilweise auch am Wochenende, da Camps für Kinder und Jugendliche anberaumt waren, die bis zu drei Tagen am Stück dauerten. Zu dieser Zeit war eine 50-Stundenwoche mein übliches Pensum. Der späte Dezember und Januar hingegen waren sehr ruhig, da sich zu diesem Zeitpunkt die meisten meiner Kollegen Sommerurlaub genommen hatten, vor allem auch, weil ihre Kinder dann Ferien hatten. Auch der Rest des Jahres war in Bezug auf meine Arbeit nicht allzu strapaziös, da kaum noch Projekte durchgeführt wurden und mir vor allem Büroarbeit wie Sortieren der Bibliothek oder Aufräumen der Werkstätten aufgetragen wurde, die allerdings klar als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu erkennen waren. Dennoch war ich zufrieden, nützlich sein zu können, da meine Kollegen nach wie vor sehr nett und zuvorkommend waren und mich immer noch höflich über mein Leben in Deutschland und meine Zukunft ausfragten.

Nun ist sicherlich die große Frage, ob ich mit meinem Arbeitspensum klargekommen bin. War es zu wenig oder zu viel? Auch dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Anfangs waren die Ansprüche sicherlich ungewohnt hoch, was aber durch die noch existente Sprachbarriere verschlimmert wurde. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an die Anforderungen, die interessanterweise immer leichter zu handhaben waren. Gegen Mitte des Jahres fühlt ich mich tatsächlich etwas unterfordert, was ich aber versuchte durch aktive Integration in unsere Stiftung zu kompensieren. Leider ließ sich nicht wirklich immer etwas finden, was dazu führte, dass ich mich außerhalb meines Arbeitsplatzes engagierte. Dazu zählten unter anderem regelmäßiges Fitnesstraining, verstärkte Widmung meines Blogs, Mitarbeit bei Rotaract, dem Jugendzweig von Rotary International und schließlich die Belegung eines halbjährigen Intensiv-Portugiesischkurses.

Zu Beginn wohnte ich sehr nah an meinem Arbeitplatz und konnte so innerhalb von etwa 7 Minuten zu Fuß bei Tierranuestra ankommen. Meine zweite Gastfamilie wohnte etwas weiter weg, was einen 10-minütigen Fußmarsch an die nächste Hauptverkehrsstraße bedeutete, an den sich eine etwa 25-minütige Busfahrt und dann noch ein 5-minütiger steiler Weg auf Schusters Rappen anschloss. Dies schließt Wartezeiten auf Busse natürlich aus, die bis zu einer Viertelstunden betragen konnten. Auch meine dritte Familie wohnte nicht allzu nah, was eine etwa 25-Minuten-Anreise per Bus und Fuß zur Folge hatte.

Die Gastfamilien sind ein weiteres integrales Thema meiner Auslandserfahrung, da man schließlich mit ihnen zusammenlebt und mit der Zeit auch ein Teil des eigenen Lebens werden.
Mein erstes Zuhause war, wie bereits erwähnt, eigentlich nur eine Notlösung, da meine ursprüngliche Familie in letzter Minute absprang; zwei Stunden vor Abflug, um genau zu sein. Dort habe ich mich auch nie wohl gefühlt und wurde auch nicht sehr herzlich aufgenommen. Nach Ablauf der angesetzten sechs Wochen wurde ich dann aufgrund der Unfähigkeit AFS' eine neue und dauerhafte Familie zu finden, kurzerhand zur Schwester meiner ersten Gastmutter deportiert, die mir zwar ein eigenes Zimmer, aber immer noch keine Zuneigung gaben. So war ich etwa wochenlang gezwungen, bei über 30 Grad in meinem Zimmer ohne Ventilation zu schlafen, während der Rest der Familie nachts moderne Klimaanlagen nutzte.
Beide Familien hatten von Anfang an einen eher schlechten Eindruck gemacht und diesen auch über die gesamte Zeit nur weiter bestätigt. Als ich Mitte Dezember schließlich meine dritte und auch finale Familie zugeteilt bekam, ging es allerdings aufwärts. Mir kamen sowohl meine direkte Familie als auch die Verwandten sofort sympathisch vor. Obwohl ich annahm, dass dieses Gefühl der Geborgenheit wohl nur vorübergehend bestehen würde, nachdem die anfängliche Freundlichkeit abgeklungen wäre, durfte ich feststellen, dass meine Familie tatsächlich wunderbare und hilfsbereite Menschen waren. Dabei half sicherlich auch, dass meine Gasteltern beide bereits Auslandserfahrung hatten und mein ältester Gastbruder momentan auch ein Austauschjahr in Deutschland verbringt; ebenfalls mit AFS. Dieses interkulturelle Verständnis hat viel dazu beigetragen, dass ich mich verstanden und respektiert fühlen konnte. Auch half unser tägliches gemeinsames Abendessen und regelmäßige Besuche bei Verwandten am Wochenende dabei, eine enge Beziehung zu knüpfen. Der Abschied fiel mir wirklich sehr schwer. Auch heute bin ich noch häufig mit meiner Gastfamilie über das Internet in Kontakt. [...]

Bleibt dabei, wenn ich nächste Woche über meine wahre Meinung von AFS, Sprachproblemen und meiner Zukunft in der Entwicklungspolitik berichte.

euer Jan

Thursday, August 5, 2010

V. Der Odyssee Fünfter Teil - Auflösung

Wenn du denkst es geht nicht mehr,
kommt von irgendwo die Krönung her!

Wie jedes Meister- und Machwerk hat auch diese Erzählung einmal ein Ende. Heute erleben wir den letzten Teil des Versuchs meinerseits, etwas Neues zu schaffen.
Wir wenden uns dem Abschluss zu und leiten das Denouement, oder auch Entknotung, des Grundkonflikts ein. Normalerweise wird der Zuschauer dann durch den Tod des Helden zu einer emotionalen Reinigung, oder Katharsis, gebracht, die ihm hilft, das eigene Leben besser zu handlen.

Gleich vorab verrate ich schon mal, dass ich euch mit einem Ableben, und wäre es noch so förderlich für eure geistige Entwicklung, leider nicht dienen werde. Zumindest nicht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Texts. Dennoch strebe ich eine Läuterung unserer aller Gemüter an, indem ich den angesprochenen Grundkonflikt, nämlich meine Sehnsucht, zu entmystifizieren gedenke. Gehen wir dem Übel auf den Grund, nehmen es auseinander und lernen somit gleich etwas fürs nächste Mal.

Lassen wir noch einmal kurz Revue passieren, da mein letzter Eintrag schon mehrere Tage zurückliegt und auch deshalb, weil das Thema immer wieder schöne Erinnerungen von früheren Reisen in mir wachruft: "das Grosse Wasser", was die Indianer schon vor langer Zeit Maiyami tauften.
Ich saß also im Flug von Sao Paulo nach Miami und dachte mir so, "Warum nicht einfach in Partytown bleiben und das Endziel sausen lassen?"
Ich war kurz wirklich versucht. Es wäre sicher auch nicht allzu kostspielig gewesen, zumindest für eine Nacht dort zu bleiben und dann eine kleine Umbuchungsgebühr für einen neuen Anschlussflug am nächsten Tag zu bekommen.

Immerhin wäre ich in weniger als 24h von paraguayischer Pampa zu South Beach Promenade avanciert. Das ist in etwa so, als ob der Rasenmäher über Nacht plötzlich zu einem Lamborghini mutiert wäre; zumindest in meiner Weltanschauung!

Dennoch nahm ich von diesem vorwitzigen Vorhaben schnell wieder Abstand, da mein Lebensweg mich nicht nach Florida, sondern zu meiner Freundin trieb. Nach Lektüre von Coelhos "Alchimisten" werdet ihr sicher verstehen, wenn ich von "Zeichen" rede, die sich auf dem eigenen Lebensweg immer wieder offenbaren und deren Existenz und Hinweise wir entweder ignorieren oder folgen können. Es liegt ganz bei uns! Manche mögen mich für einen Träumer oder Weltfremden halten. Bitte! Das kann ich echt gerade noch verkraften. All die Dinge, die bei der Planung und Ausführung der Reise hätten schiefgehen können, waren wie die Sprossen unserer Karriereleiter: Wir sind einfach draufgetreten!

Nach der Ankunft in Miami International, blieb ich also ganz brav am Flughafen und checkte pflichtbewusst, wenn auch genervt ob der Unnötigkeit, meinen Koffer erneut ein.
Lässigerweise weigerte ich mich nachwievor Englisch zu sprechen, was in Südflorida aber aufgrund der Prävalenz kubanischer und mexikanischer Reisender keine Rarität ist und deshalb auch immer zweisprachiges Servicepersonal eingesetzt wird. Dummerweise war deren Spanisch manchmal etwas ungewohnt für mich, was in mindestens einem Fall ein peinliches Nachfragen erforderte und mitleidige Blicke auf sich zog.

Auch hier hatte ich eine stattliche Wartezeit von etwa 3,5 Stunden, die ich inzwischen routiniert mit Räsonieren und People-Watching tot schlug.

An einem Kiosk sah ich dann noch den witzigsten Buchumschlag überhaupt. Es war das humoristisch-kritische Werk "I am America (And so can you)" von Stephen Colbert, einem US-Komiker, dessen Rückseite ihn freudig bei der Lektüre seines eigenen Schriftstücks zeigt. Dies soll andere, ernste Bücher und Autoren auf die Schippe nehmen, die sich stets scheinbar intellektuell und retouchiert ablichten lassen und berühmte Autoren oder Politiker für ein oberflächliches Lob bezahlen. Sein aufgedruckter Kommentar:

"Ich lachte, ich weinte, ich habe 15 Pfund verloren. Ich kann dieses Buch nicht genug empfehlen."

Es kommt vielleicht nicht so lustig rüber wie ich es damals empfand, aber nach etlichen Stunden Reise ohne Schlaf traf dieser dumme Spruch genau meinen Nerv.
Der letzte Flugabschnitt machte mich dann auch schon etwas nervös. Als ich schliesslich ankam, wartete meine Gastmutter schon auf mich und ich konnte mein Englisch nicht länger zurückhalten.

Vom Rest meines Urlaubs möchte ich nicht weiter erzählen. Zunächst einmal, weil er keinerlei entwicklungspolitische Relevanz hat, aber vor allem auch, weil es niemanden etwas angeht.
Einzig gilt es zu erwähnen, dass ich eine wunderschöne Zeit verlebt habe und es mir erneut einen Stich ins Herz versetzte, als ich meine Freundin letztendlich wieder zum Flughafen bringen musste. Außerdem waren wir überraschend doch noch kurz in Florida, da meine Gastmutter noch einer Freundin bei etwas helfen wollte. Für uns ist dann also trotzdem noch ein Strandurlaub rausgesprungen. Es kommt eben immer doch alles so, wie es sein sollte. Das Leben weiß schon, was es tut!

Die Rückreise war der Hinfahrt sehr ähnlich, nur, dass ich nicht über Miami fliegen musste und entsprechend nur lockere 10 Stunden in Sao Paulo auf meinen Bus zu warten hatte.
Das einzig Nennenswerte geschah etwa 15 Minuten nach Abfahrt des colectivos nach Asunción.

Unser Bus fuhr dummerweise einem kleinen Pickup-Truck auf. Der Fahrer des Gefährts hielt sofort an und stieg mit wütendem Gesicht aus. Ich konnte das sehen, weil ich ganz vorne im oberen Teil des Zweietagenbusses saß. Nach kurzer Stille hörte man ein paar laute, aber unverständliche Worte. Dann ging der gerammte Fahrer wieder in Richtung seines Autos. Ich dachte, dass man sich wohl verständigt und entschuldigt hatte. Das dachte ich. Bis der Geschädigte plötzlich mit einer großen Brechstange aus dem Kfz stieg und das Metall schwingend in unsere Richtung rannte. Ich realisierte die Gefahr erst richtig als die Schläge gegen die Windschutzscheibe Vibrationen im ganzen Bus auslösten, die bis in meine Wirbel durchdrangen. Kurz darauf fingen ein paar Frauen an zu schreien und mit geschlossenen Augen und unter Tränen ihre Ave Marias zu beten. Ich machte mir einzig deshalb Sorgen, da ich vielleicht noch länger warten müsste, heimzukommen.

Nach etwa einer Minute machte sich das "Opfer" wieder auf seinen Weg; anscheinend der Meinung, der Gerechtigkeit Genüge getan zu haben. Da sich für die nächsten Augenblicke nichts rührte, befürchtete ich schon, er habe dem Busfahrer den Schädel eingeschlagen. Doch kurz darauf ging es weiter, als sei nichts geschehen.



So endet sie also, die Odyssee meines Herzens. Es war eine lange und lehrreiche Reise. Ich habe sie sehr genossen, auch, wenn sie mich viel Kraft gekostet hat.

Habt Dank für eure Treue und Aufmerksamkeit.


Da wir schon einmal beim Ende sind...
Wie ihr vielleicht gemerkt habt, hat sich mein Jahr dem Ende zugeneigt. Das bedeutet auch, dass mein Blog seinen Dienst zum größten Teil getan hat. Die Odyssee war das letzte Großprojekt. Was nun noch fehlt, sind erste Eindrücke nach der Rückkehr und noch ein oder zwei Zeitungsartikel, die ich vielleicht noch veröffentlichen werde.

Bleibt also noch etwas dabei und genießt die letzten meiner Ergüsse auf "JanInParaguay".

ergebenst, euer Jan

Saturday, July 24, 2010

IV. Der Odyssee Vierter Teil - Coitus Interruptus

"Der Schritt verrät, ob einer schon auf seiner Bahn schreitet. Wer aber seinem Ziele nahe kommt, der tanzt." -Friedrich Nietzsche

Was soll denn dieser Titel jetzt schon wieder? Findet er das lustig, oder was? Primitivling!

"Kaum wirds einmal ernst und interessant, muss er gleich wieder alles ins Laecherliche ziehen", denkt ihr euch?

Falsch, ihr Banausen!

Dieser vierte Teil dient dramatisch gesehen als retardierendes Moment, auch Hinauszoegerung des Hoehepunkts genannt. Kurz bevor es zur Aufloesung kommt, also dem Happy End bei der Komoedie oder der, fuer Tragoedien typischen, grossen Ernuechterung, werden noch einmal alle Karten neu gemischt. Obs letztendlich ein Royal Flush wird oder doch nur ein Bad Beat*, sehen wir dann wohl erst beim naechsten Mal.

Deswegen gar nicht erst weiterlesen und lieber direkt auf den folgenden Eintrag warten? Sicher, warum nicht? Du kannst dir auch ein Loch ins Knie bohren und gucken, ob Joghurt rauskommt!**

Unsere Erzaehlung vom letzten Mal endete beim eigentlichen Anfang meiner Strapazen: Naemlich dem zentralen Busbahnhof von Sao Paulo, "Terminal Tiete".

Noch einmal kurz zu meiner Gefuehlslage: unruhig, nervoes, unsicher und etwas eingeschuechert durch das Ungewisse, was mir unmittelbar bevorstand. Oder anders gesagt: Genau so, wie man sich vor seiner allerersten Verabredung fuehlt. Nur, dass mich hier niemand erwartete und nichts von mir wollte. Ausser vielleicht meine Wertgegenstaende.

Nachdem ich ausgestiegen war und mir meinen Koffer hatte geben lassen, lief ich direkt von den externen Haltestellen in die Hoehle des Loewen, wo mich ein eher verschlafenes Getummel von langsam umherschlurfenden Reisenden empfing. Ich hatte keine Ahnung, wo ich naehere Informationen herholen wuerde und selbst bei Nachfrage an den Fahrer meines Reisebusses kam nur ein sehr genereller, genuschelter Fingerzeig als Antwort. Entsprechend liess ich mich einfach vom Strom der Leute tragen und dachte nicht weiter nach. So muessen sich wohl BILD-Leser fuehlen!

Es war 8:45, als ich das erste Mal hoch auf eine der allgegenwaertigen Uhren schaute, die wie unerreichbare Gottheiten ueber die Passanten zu herrschen schienen und mit ihren Zeigern als Zepter vorgaben, wie viel Zeit den Sterblichen gewaehrt wuerde.

Zeitdruck? Der war gluecklicherweise nicht gegeben. Denn immerhin hatte man mir viel Spielraum gelassen. Mein Flug wuerde um kurz nach 12 gehen. Mittags? Nein, post-mitternacht natuerlich! Alles andere waere ja Ponyhof.
Wie dem auch sei, ich war morgens noch recht froh, um diese Terminplanung, da ich mir sicher war, mehrere Stunden bis zum Erreichen des Flughafens zu benoetigen.

Nachdem ich mich mehrere Dutzend Minuten hatte treiben lassen, war ich schon bedeutend ruhiger. Ich war noch nicht ermordet und hatte sogar noch saemtliche weltlichen Besitze in meiner Obhut, mit denen ich auch angekommen war. Die Furcht vor der Furcht ist immer das Schlimmste. Denn wenn man einmal angefangen zu kaempfen, dann sorgt man sich um die Gegenwart und nicht die Zukunft. So, wie es fast jedes Tier vernuenftigerweise seit Jahrmillionen haelt. Nur der Mensch begann irgendwann mit dem verrueckten Vorhaben, das Leben zu verplanen und so die eigene Existenz zu vergeistigen anstatt sie zu geniessen.
Da im Erdgeschoss nur Essstaende und Abfahrts- und Haltestellen zu finden waren, machte ich mich mitsamt meines 30kg Koffers schliesslich auf ins 1. Stockwerk.

Nach kurzer Rolltreppenfahrt erblickte ich ein weites Schlachtfeld von Spielhoellen, noch mehr Imbissen, Wartehallen und, wie koennte es anders sein, Ticketschaltern in rauhen Mengen. Mein erster Gang war allerdings direkt zum banheiro, da ich die gesamte Fahrt keine einzige annehmbare Toilette hatte finden koennen. Kein leichter Schachzug, denn leider war es eines dieser Drehkreuzklos, fuer das ich nicht nur heftige zwei Reales blechen musste, sondern bei dem ich auch gezwungen war, mein schweres Reiseequipment ueber die Barriere zu hieven.
Nachdem ich das Mikroben-Resort wieder verlassen hatte, gings zum Ticketschalter. Man sprach zwar nur Portugiesisch, aber gluecklicherweise hatte ich mir den Namen des Flughafens, Garulhos, gemerkt, was die Dinge sehr erleichterte. Nach Nennung des Preises gab ich einfach mal einen grossen Schein und hoffte auf das Gute im Menschen, ganz besonders bei der Verkaeuferin vor mir.

Nach erfolgreichem Erwerb gings dann wieder bergab. Keine Angst, ich meine nur zurueck ins Erdgeschoss.

Dort fand ich auch recht schnell die entsprechende Anlegestelle und pflanzte mich auf einen der zahlreichen Sitze. Nach knapp 40-minuetiger Wartezeit und der gewonnenen Erkenntnis, dass fast alle Leute um mich herum schwarz waren und ich somit das weisse Schaf, kam der Shuttlebus zum Flughafen an.

Kurz bevor es losging, schlug mir aber ploetzlich ein voellig neuer Gedanke ins Hirn ein, der mir vorher noch gar nicht gekommen war.

WIE KOMME ICH EIGENTLICH WIEDER ZURUECK?

Gute Frage, denn Sao Paulo hat an die 30 groesseren Busbahnhoefe. Auf meinem Rueckreiseticket stand auch nichts Genaueres. Die einzige Information, die ich damals beim Kauf bekommen hatte, war: "Siehst du dieses Bild von dem roten Bus da? So aehnlich sieht dein Bus dann bei der Rueckkehr aus. Wenn sich nichts aendert."

Diese Art der Informationshandhabung ist unter anderem der Grund, warum Paraguay bisher kein Raumfahrtsprogramm hat und wohl so schnell auch keins auf die Beine stellen wird.

Um noch etwas Schadensbegrenzung zu betreiben, fragte ich den Buslenker noch schnell, wie denn dieses Terminal hier hiesse. Zurueck kam eine gemurmelte Antwort, die ich zunaechst als Raeuspern interpretierte. Als bei erneutem Erkundigen dieselbe Aussage kam, begriff ich, dass mein Portugiesisch doch noch sehr unnuetz war. "Tiete" wird naemlich etwa wie tschiáetschie ausgesprochen. Da er auch noch in einem ganzen Satz antwortete, war das beinahe zuviel des Guten. Er zeigte mir dann aber eine Karte und dann wars klar.

Nach weiteren 30 Minuten Fahrt kamen wir dann am Garulhos an und ich fuehlte mich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder richtig in der Zivilisation. Business People in Anzuegen, die ihren Flug erwischen muessen, verchromte Baeder, englische Schilder und Wortfetzen und einfach diese positiv hektische Atmosphaere, die ich so an Flughaefen schaetze. Denn dort hat man immer das Gefuehl, dass man bald auf Reise geht, neue Erfahrungen machen kann oder endlich wieder nach Hause kommt.
Deshalb hatte ich auch keine Probleme mit den 15 Stunden vorlaeufigen Aufenthalts.

Als Erstes ging ich zu McDonald's und holte mir dort den Wochenburger, dessen Name mir leider entfallen ist. Der Geschmack war allerdings unvergesslich gut konstruiert und kam mit einer Portion Creme Fraiche, was ich in Europa oder den USA noch nie bei einem Burger erleben durfte. Ich sage konstruiert, weil er offensichtlich so natuerlich war wie Cher. Ausserdem half mir dieser Kauf dabei, den Wert dieser mir noch fremden Waehrung etwas besser einschaetzen zu koennen. Wenn ich also fuer einen Fastfoodsnack 4 Reales bezahle, dann ist diese 0,5l Wasserflasche fuer 6 Reales ganz klar Wucher und jene halbe Pizza fuer 2 Reales ein Schnaeppchen. Das ist ein netter kleiner Trick, ueber den ich auf diese Weise zufaellig gestossen war. Viva la Kaufkraftparitaet! Auch wurde mir so bewusst, dass ich bei 5 Reales alle 10 Minuten nur kurz ins Internet-Café gehen wuerde. Da hob ich mir mein Geld lieber fuer Burger auf.

Der Tag verging recht unspektakulaer. Ich ass, las und wunderte mich darueber, wie sehr ich mich an mein Spanisch gewoehnt hatte. Irgendwie wollte ich nicht wieder Englisch reden, was mir die Serviceleute der Airlines aber staendig aufdraengten.

Gegen 23:00 checkte ich dann ein und verliess 70 Minuten spaeter recht puenktlich den Flughafen und machte mich auf in das Land der unbegrenzten Moeglichkeiten. Der 7,5-stuendige Flug verging recht schnell, da ich eigentlich nur schlief, aber gluecklicherweise stets rechtzeitig zu den Mahlzeiten und Snacks aufwachte.

Miami, die Stadt meiner Traeume. Ich spielte kurz mit dem Gedanken wie es sein wuerde, den Flughafen meines Zwischenstops einfach zu verlassen, mir ein Zimmer zu nehmen und dann den Rest des Tages am Strand und die Nacht im Coconut Grove, dem hippen Partyviertel der Jugend, zu verbringen und dann meine Freundin zu bitten, mich einfach in Florida zu besuchen. Auch wenn sie vielleicht zustimmen wuerde, waere meine Gastfamilie wahrscheinlich eher traurig.

Aber konnte ich mir diese Gelegenheit entgehen lassen? Man lebt schliesslich nur einmal...

(Fortsetzung folgt)

ANMERKUNG: Ich wuerde sehr um Kommentare und Bewertungen bitten. Einfach unten klicken und ein paar Worte schreiben. Feedback ist das Wichtigste fuer jeden, der schreibt, weil man das Gefuehl hat, nicht gegen die Wand zu reden. Ihr koennt meinen Blog jetzt auch direkt u.a. bei Facebook und Twitter weiterleiten. Einfach den kleinen Icon unterm Artikel klicken.

*Bad Beat, auch bekannt als "Anna Kournikova": Hand beim Poker, die stark aussieht, aber trotzdem verliert.
** Zitat Georg Himmer, Philosoph (1950-heute)

Saturday, July 17, 2010

III. Der Odyssee Dritter Teil - Wendepunkt

Wer allzeit bei dem Ofen sitzt, Grillen und die Hölzlein spitzt
und fremde Lande nicht beschaut, der ist ein Aff in seiner Haut.

Altdeutsches Sprichwort

Der dritte Teil beginnt. Meine Reise nimmt ihren Lauf und die Dinge kommen ins Rollen. Allerdings ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Daher dient dieser Teil meines Dramas als Peripetie, auch Handlungsumschlag genannt, in der das scheinbar Berechenbare ungeahnte Wendungen nimmt.
Die schoen zurechtgelegte Idealwelt kommt in Kontakt mit der brutalen Realitaet, ein Konflikt entsteht und versetzt dem nichtsahnenden Protagonisten, in diesem Falle leider mir, unwillkuerlich einen harten Tritt in die Nuesse.

Wieso, fragt ihr euch?

Drehen wir das Rad der Zeit noch einmal kurz zurueck. Was ist bisher geschehen?

Um meine Freundin wiederzusehen, machte ich mich auf den langen Weg in die Vereinigten Staaten, um sie dort bei meinen frueheren Gasteltern zu treffen. Am Tag der Abreise packte ich schnell meine Koffer, wurde zum Bus-Terminal gebracht und erwartete dort mein Transportmittel. Aber wieso gerade ein Omnibus?

Zunaechst stellte sich mir die Frage, wie man denn nun am besten und vor allem am billigsten von Paraguay bis zu den Suedstaaten der USA kommt.

Meine erste Idee in Anbetracht der hohen Flugpreise war das Verwenden mehrerer gekoppelter Busreisen bis hoch nach Mexiko. Dieser Einfall erschien mir anfaenglich aeussert brilliant, da ich nebenbei auch noch fast alle lateinamerikanischen Laender durchqueren koennte und mir diese mal kurz zu Gemuete fuehren wuerde. Dann wurde mir allerdings schnell der Nachteil des Ganzen bewusst: Ich wuerde saemtliche lateinamerikanischen Laender durchqueren muessen. Ein kurzer Check auf der Landkarte verriet mir die Distanz:

ca. 7650km Luftlinie. (Anmerkung: Von Oslo, Norwegen, bis nach Rom in Italien sind es "nur" 2000km)

Ah ja, dann vielleicht doch nicht.

Dann wollte ich ein Boot nehmen und hochschippern. Leider gibts da ausser Kreuzfahrten nicht viel im Angebot. Da Paraguay auch ein Binnenland ist, waren Schiffsreisen sowieso nicht der gaengige modus operandi . Blieb wohl also doch nur die alte Stahlkraehe.

Dann begann eine lange Kopfgeldjagd nach dem billigsten Flug. Ich musste einfach etwas finden, auch wenn ich den Flug auf der Bordtoilette wuerde verbringen muessen.

Es war klar, dass ein Flug von Asunción ausgehend ausser Frage stand, da eine Busfahrt in einen der naechstgelegenen internationaelen Flughaefen die Gesamtkosten drastisch reduzieren wuerde. In Frage kamen Rio de Janeiro und São Paulo in Brasilien sowie Buenos Aires in Argentinien. Rio liegt pralle 25 Stunden Busreise von Asunción entfernt, die beiden anderen Metropolen um die 20. Ein Hin- und Rueckfahrticket ist mit je ca. 40-50 Euro allerdings ueberaus preiswert.

Dann gings zum Tarif-Check der einzelnen Airlines.

$1300 fuer einen Flug Baires/Rio - Miami + Retour? Sah glatt so aus, als wuerde ich nach São Paulo gehen.





Nachdem das Busticket gekauft war und die Koffer gepackt, wartete ich schliesslich am Terminal als meine Doppeldecker-Kutsche mit lediglich 10-minuetiger Verspaetung eintraf. Bei derart geringem Abweichen merkte man gleich, dass der Anbieter kein Paraguayo sein konnte.
Nachdem mein Gepaeck verstaut war, setzte ich mich in den reservierten Sitz im oberen Geschoss und legte mir neben meinem Lunchpaket zusaetzlich mein Buch zurecht. Meine Wahl fiel auf "World Without End", oder auch "Die endlose Welt" von Ken Follett, den ueber 1200 Seiten starken Nachfolger des Klassikers "Die Saeulen der Erde".

Seite 1 - Waehrend ein paar Kinder im englischen Mittelalter auf verhaengnisvolle Entdeckungstour gehen, liegt bei mir im Bus alles schoen dort, wo es sein sollte. Ich lehne mich entspannt zurueck und freue mich auf eine gemuetliche Reise, die ich wahrscheinlich hauptsaechlich verschlafen kann. Auf Entdeckungstour gehe ich ja aber eigentlich auch, so wie die Romanfiguren im gebundenen Meisterwerk, das mir von meinem Schoss entgegenstarrt.

Doch da tauchte schon die erste Stoerung auf. Ein Mann mittleren Alters sass auf der gegenueberliegenden Seite rechts von mir im Bus. Ausser uns beiden waren im gesamten Bus vielleicht nur noch acht andere Personen. Sehr wenig, wenn ich das mit dem ueberfuellten Trip nach Buenos Aires im vergangenem Januar vergleiche. Dennoch sorgte besagter Señor fuer einen Geraeuschpegel, der einer Schulklasse Konkurrenz gemacht haette. Wenn er nicht am Schnarchen oder Schnaeuzen war, beschaeftigte er sich die naechsten Stunden lautstark damit, irgendetwas Hoellisches aus dem Abgrund seiner Kehle hervorzuholen. Absolut widerlich und auch sehr stoerend. Hier ist so ein Verhalten aber durchaus keine Seltenheit. Knigge war ja schliesslich auch kein Suedamerikaner. Mit etwas Dosenmusik aus meinem MP3-Player konnte ich der Kakophonie allerdings zeitweise entfliehen.

Seite 160 - Waehrend eine junge, als Sklavin verkaufte und entflohene Bauerstochter ihren Haeschern versucht zu entkommen, kamen wir, nach knapp vier Stunden ereignisloser Fahrt - der Stoerenfried war gluecklicherweise mittlerweile ausgestiegen - in Ciudad del Este an. Auch wir rannten davon wie die fiktive Englaenderin. Allerdings jagte uns nur ein enger Zeitplan und Anschlussfluege und keine blutruenstigen Gesetzlosen. Apropos, die Stadt liegt an der brasilianischen und argentinischen Grenze und ist Insidern zufolge deshalb eine zentrale Schaltstellte fuer Schmuggler und Terroristen in ganz Suedamerika. Hier musste aus irgendeinem Grund der Bus von innen gesaeubert werden, was ueber eine Stunde in Anspruch nahm. Ich persoenlich gebe dem Typen mit den Manieren de gua'u* die Schuld fuer jede erdenkliche Verschmutzung. Wer kann es sonst gewesen sein? Gut, 90% der Restbevoelkerung kaeme durchaus auch in Frage.
Das Verharren dort in der "Stadt des Ostens" war mir allerdings gar nicht geheuer, da ich schon viele Warnungen ueber die hohen Kriminalitaetsraten gehoert hatte, die mir am Terminal herumlungernden, zwielichtigen Gestalten nur bestaetigten.

Entsprechend froh war ich, als es dann endlich weiterging.

Waehrend ich die atemberaubende "Puente Internacional de la Amistad", oder schlicht die Freundschaftsbruecke, im Sonnenuntergang erblickte, die den Fluss Paraná ueberspannt und Brasilien und Paraguay wie ein binationaler Handschlag vereint, fuehlte ich mich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder wie ein Abenteurer, ein Pionier, der voellig neue Welten erforscht. Die Aufregung loeste einen spontanen Adrenalinschub aus und die Aussicht auf die Entdeckung eines, naemlich meines(!) Schatzes, liess mein Herz schneller schlagen.

Die Euphorie wurde aber schnell wieder gedaempft, als ich mit meinem ersten Drachen zu kaempfen hatte, der mir sicherlich auch in unspektakulaereren Landstrichen haette begegnen koennen:

Buerokratie.

An der Grenze musste ich meinen Pass vorzeigen und beweisen, dass ich keine terroristischen Absichten hegte. Das war mein erster Kontakt mit Brasilianern, seitdem ich Portugiesischstunden nehme. Damals hatte ich allerdings gerade erst ein paar Wochen Unterricht, was meine Sprachexpertise doch stark begrenzte.

Dann wurde es auch schon bald dunkel. Schnell schickte ich noch eine SMS an meine Gasteltern, dass bisher alles gut gelaufen war. Prompt kam die, sinngemaesse, Anwort, "Dir auch viel Glueck, du wirst es brauchen."


Seite 210 - Nach der Lektuere ueber den Kollaps der Stadtbruecke in Kingsbridge und den anschliessenden Rettungaktionen wurde mir dann im Bus sogar ein kleines Abendessen serviert, das mir in Kombination mit meinen Vorraeten auch kurzfristig den Hunger nehmen konnte. Auch war ich froh, dass sich die Brueckenbaukunst ueber die Jahrhunderte verbessert hatte.

Danach wurde ich auch langsam schlaefrig und schlief, mit meinem Ersatz-T-Shirt als Kissen, langsam zum Rhythmus der weiten Strassen Brasiliens ein.

Am naechsten Morgen wurde ich gegen 6 Uhr unsanft von den Klaengen paraguayischer Volksmusik geweckt, die ueberall aus den Lautsprechern droehnte und mit dem Bordfernsehen optisch untermalt wurde. Was wuerde ich froh sein, endlich diesem Laerm entkommen zu koennen.
Vieles habe ich in diesem Jahr gelernt, zu einem gewissen Grad zu tolerieren: Dummheit, Ignoranz, schlechte Manieren und brennende, erbarmunglose, von Mosquitos verseuchte Hitze. Aber an die traditionelle Musik werde ich mich wahrscheinlich nie gewoehnen koennen. Denn jene ist, meiner Ansicht nach, die schlimmste Art von Geraeusch auf diesem Planeten, die nicht spezifisch als Krach intendiert ist.
Nach kurzer Hohlraumversieglung, also Stoepsel in die Ohren, war das Problem aber schon geloest.

Fruehstueck gabs keins.

Diese Hundesoehne! Zum Glueck hatte ich noch ein wenig Proviant uebrig. Zum Lesen war ich aber etwas zu aufgeregt, da wir schon in der Peripherie des "Heiligen Paulus" angekommen waren. Mit einer Ausdehnung von knapp 8000 Quadratkilometern und einer Metropolregionsbevoelkerung von satten 20 Millionen eher eine der groesseren Staedte dieser Welt ist São Paulo allerdings auch unvorstellbar gross, unuebersichtlich und vor allem schmutzig. Obwohl ich Armut seit Paraguay durchaus gewohnt bin, versetzte mir der Anblick einiger favelas, oder Armenghettos, doch einen Schock, da Tausende von winzigen Behausungen ueber ganze Huegelketten an- und aufeinander gepresst werden. Es gab auch so gut wie keine Gruenflaechen zu sehen, wobei ich natuerlich auch nur einen winzigen Bruchteil passierte.

Mir wurde gesagt, eine komplette Stadtdurchquerung koenne mit einem Auto durchaus einen halben Tag oder mehr in Anspruch nehmen.
Als wir zwei Stunden spaeter immer noch nicht am dortigen Busbahnhof angekommen waren, zweifelte ich diese Behauptung auch nicht laenger an. Um 8:30 erreichten wir schliesslich nach mehr als 21-stuendiger Fahrt "O Terminal Tiete".

Dies war auch der Moment, den ich an der ganzen Reise am meisten gefuerchtet hatte. Ich wuerde irgendwie einen Weg von hier zum Flughafen finden muessen. Ich hatte noch keine Ahnung, wie ich das anstellen wuerde, da das Internet nicht grossartig weitergeholfen hatte. Die Sprachbarriere machte mir zusaetzlich etwas Angst. Denn mit Spanisch und selbst Englisch kommt man hier selten weit. Mein Portugiesisch steckte noch in den Kinderschuhen.
Doch auch eine ganz andere Tatsache liess mir keine Ruhe. Naemlich, dass der Busbahnhof generell einer der gefaehrlichsten Orte jeder Grossstadt ist, da es hier fuer Raeuber, Diebe und sonstige Gesetzesbrecher die vielversprechendsten und meist auch die hilflosesten Opfer gibt.

Wuerde ich das Naechste sein?



Ploetzlich ein Stop. Der Bus hielt zum letzten Mal die Raeder an. Und ich, beunruhigt, nur den Atem...


(Fortsetzung folgt)




*"de gua'u" ist Yopará/Guarañol, also ein Mix aus Spanisch und Guaraní, fuer "fake/nicht authentisch/pseudo-"

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