Wednesday, August 18, 2010

AFS Abschlussbericht 2/2

Nach kurzer Bedenkzeit, lasse ich euch nun nicht weiter im eigenen Saft schmoren und serviere euch jetzt frisch den zweiten und letzten Teil meines AFS-Abschlussberichts. Guten Appetit!

_______________________

[...]

Ferner muss Einiges zur Betreuung berichtet werden. In erster Linie war ja AFS Paraguay für mein Wohlergehen verantwortlich. Man muss sagen, dass ich, zumindest in Bezug auf meine Familiensuche, schwer von AFS im Stich gelassen wurde und deshalb fast ein halbes Jahr kein nettes heimisches Umfeld hatte, obwohl ich oft versuchte, mit meinen neuen Familien ins Gespräch zu kommen. Auch waren die Camps im Ausland sehr mangelhaft, da man erst kurz vorher über die Details und vor allem die Daten informiert wurde. So war Urlaubsplanung oft schwer und wurde auch nicht berücksichtigt. Der Tiefpunkt war, dass wir „weltwärts´ler“ ein separates Abschiedscamp haben sollten, was bedeutete, dass wir unsere anderen AFS-Freunde zum Schluss nicht mehr zusammen hätten sehen können. Doch zum Glück ließ sich dies noch ändern, wenn auch nur unter Protest seitens AFS.
Verpflichtend waren im Weiteren zwei Wochen Vorbereitungsseminar in Deutschland, an denen ich viele andere deutsche Freiwillige kennen lernen konnte, die auch ein Jahr im südamerikanischen Ausland verbringen sollten.
In Paraguay angekommen, hatten wir dort ebenfalls noch ein eintägiges Arrival-Camp, das uns mit dem notwendigsten Basiswissen über das Land und die dortigen Sitten versorgte, was uns zuvor in Deutschland eigentlich kaum erklärt wurde. Neben einem zweitägigen Midstay- und einem dreitägigen End-of-Stay Camp, erwarten uns nun noch zwei jeweils dreitägige Returnee-Camps in Deutschland. Letztere emfinde ich allerdings als etwas störend, da ich eine komplette Woche Nachbereitung bevorzugt hätte, anstatt zweimal für drei Tage während der Vorlesungszeit meiner Universität anreisen zu müssen. AFS Deutschland hat die VBs zufriedenstellend organisiert, war während meines Auslandsjahres jedoch sehr langsam bei Anfragen und hat Verantwortung oft an AFS Paraguay abgewälzt, die umgekehrt ähnlich reagierten.
Auch Konflikte gab es sicherlich, allerdings kaum in Bezug auf meine Arbeit, da sie dort alles sehr professionell und verständnisvoll zu handlen pflegten. Mit meinen Gastfamilien gab es auch nie wirkliche, offene Probleme, abgesehen davon, dass ich nach Meinung meiner ersten Gastmutter zu viel äße und deshalb teilweise selbst für mein Essen aufkommen sollte. Dies tat ich dann auch, was die Meinungsverschiedenheit beseitigte. Andere, latente Konflikte, die nur bei meinen ersten beiden Heimen auftraten, waren hingegen weitaus schwerer zu lösen. Die Chemie stimmte einfach nicht und es gab kein gegenseitiges Verständnis. Ich merkte mit der Zeit aber auch, das einfach kein Interesse ihrerseits bestand, unser Verhältnis zu verbessern. Daher zog ich mich entweder in mein Zimmer zurück, ging mit Freunden aus oder stürzte mich in die Arbeit.

Auch der sprachliche Aspekt spielte eine große Rolle in Paraguay. Wie bereits erwähnt, beherrschte ich das Spanisch zu Beginn kaum. Ich hatte zwar ein Gruppenstunden genommen und ein paar Wörterbücher akquiriert, aber ansonsten war ich recht unvorbereitet. Das rächte sich dann auch in den ersten Wochen, da ich kaum etwas verstand. Doch das Eintauchen in die neue Kultur und Sprache sorgte schon schnell für erste Erfolgserlebnisse und es ging schließlich rapide bergauf. Nach ein paar Monaten war Spanisch auch kein Problem mehr. Da weder meine Familie noch meine Arbeitsstelle über Leute mit Englischkenntnissen verfügte, war ich von Anfang an gezwungen, an meinem Spanisch zu arbeiten. Insgesamt hat sich mein Spanisch stark verbessert und war gegen Ende des Jahres auch fließend, sodass ich auch gehobene Literatur lesen konnte, wenn auch etwas langsamer als in Englisch oder Deutsch. Geholfen hat mir auch der obligatorische 4-wöchige Sprachkurs am Anfang, der immer werktags ca. 2 Stunden lang andauerte und andere AFSer und mich mit den wichtigsten grammatischen Grundregeln vertraut machte.
Die Reaktionen auf mangelnde Sprachkompetenz waren sehr unterschiedlich. Meine Gastfamilien waren meist sehr verständnisvoll, auch wenn man merkte, dass sie bei Nichtverstehen oft aus Höflichkeit so taten, als hätten sie mich verstanden. Meine Kollegen waren ebenfalls meist sehr mitfühlend. Leider wurde ich nur von sehr wenigen Leuten verbessert, da es im Allgemeinen als Beleidigung ausgelegt werden könnte, als Besserwisser da zu stehen. Mein letzter und richtiger Gastvater allerdings korrigierte mich recht oft, da er weiß, wie es der Spracheentwicklung schadet, bestehende Fehler nicht zu beseitigen. Viele der Kinder, die wir betreuten waren hingegen weniger vollendet in ihren Manieren und hielten sich nicht damit zurück, meinen Akzent nachzuäffen, was mich oft etwas verärgerte, ich aber zu tolerieren lernte, da sie es meist nicht böse meinten und mich auch oft als ihren Lieblingsbetreuer bezeichneten.

Letztlich ist es auch von entscheidender Bedeutung den Aspekt der Entwicklungspolitik während meines Jahres näher ins Auge zu fassen.
Als durchschnittlicher Deutscher ist man zwar nicht ungebildet und weiß durchaus über viele der globalen Probleme Bescheid, hat seine Informationen aber doch meist nur aus Medien oder Erfahrungsberichten anderer. Konkret hatte ich nun das Privileg, selbst einmal einen Blick hinter die Pressekulissen zu werfen und auch aktiv an Entwicklungsarbeit teilzunehmen. Dabei konnte ich lernen, dass einige Punkte unerlässlich für eine erfolgreiche Umsetzung der angestrebten Ziele sind.

Dazu gehört zunächst eine durchdachte Planung, da man sonst im Nachhinein zu viele Lücken notgedrungen stopfen muss und so das gesamte Projekt in Qualität und Effektivität leiden würde. Des Weiteren muss auch das Equipment am Stichtag parat liegen, was regelmäßige Inventuren und gewissenhaftes Sortieren erfordert. Außerdem ist ein eingespieltes Team unverzichtbar, das gut miteinander harmoniert, um die praktische Durchführung möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen. Auch die Koordination des Leiters ist von großer Bedeutung, damit jeder weiß, was er zu tun hat.
All dies klingt logisch und offensichtlich, war mir aber noch nicht in diesem Maße aus der Praxis bekannt. Insgesamt benötigt Entwicklungsarbeit, wie jede andere Art von Dienstleistungen, ein gutes Management, um funktionieren zu können. In dieser Hinsicht habe ich also auch viel für meine späteren Jobs lernen können, allerdings ohne das Risiko gefeuert zu werden oder unter Konkurrenzdruck stehen zu müssen.
Auch wenn die Arbeitswelt in Paraguay sicherlich anders aussieht als in Europa oder den USA, so sind viele Gemeinsamkeiten erkennbar, die zunächst vielleicht gar nicht so schnell ins Auge fallen. Beispielsweise gibt es in jedem Land, auch den vermeintlich reichen, immer noch reichlich Verbesserungsbedarf. Die soziale Schere öffnet sich auf Landes- und Weltebene immer weiter. Arme werden immer ärmer und Reiche immer wohlhabender. Dies sind Probleme, die sich nicht innerhalb eines Jahres, einer Legislaturperiode und wahrscheinlich auch nicht einer Generation lösen lassen. Was man aber tun kann, ist sich für eine Verbesserung des Status Quo einzusetzen und seinen Teil zu einer gerechteren Koexistenz der verschiedenen sozialen Schichten beizutragen.
Auch wenn ich jetzt nicht den wohlbekannten und oft auch naiven Weltverbesserungstenor anschlagen möchte, so sehe ich es trotzdem, gerade auch in Hinsicht auf meinen abschließenden Bericht, als Pflicht an, hier die Wichtigkeit einer pro-entwicklungspolitischen Einstellung deutlich zu machen.

Schlichte Aktionen wie Recycling, Car-Pooling oder angemessener Strom- und Wasserverbrauch können bereits Einiges zum Naturschutz beitragen und sind Maßnahmen, die das eigene Leben kaum einschränken. Der Fakt, dass dies und Ähnliches überall auf der Welt möglich ist und es auch fast in jeder Ecke unseres Planeten Menschen gibt, die die Zeichen der Zeit nicht ignorieren, sondern einen aktiven Beitrag zum Erhalt und Förderung unserer Natur und Lebensqualität leisten, lassen darauf schließen, dass wir es hier keineswegs mit einem nationalen Phänomen zu tun haben. Tatsächlich ist Entwicklungspolitik längst globalisiert und viele Organisationen wie etwa Amnesty International sind schon seit langem ein einziges großes Netzwerk, die dadurch nicht nur beweglicher und ressourcenreicher sind, sondern auch schnell und effizient Lobbyismus betreiben können, um akute Konflikte erfolgreicher anzugehen.
Da man so auch vom Wissen der vielen anderen Experten eines unbekannten Arbeitsfeldes profitieren kann, hat sich gemeinsames globales Lernen stets bewährt.

Das galt auch für mich, da ich Einblick in Arbeitsweisen und Techniken hatte, die ich zuvor noch kaum verstand. Arbeitsteilung war eine der wichtigsten Lektionen, da jeder Mensch andere Talente hat, die es zu erkennen und nutzen gilt. Ein Unternehmen oder Chef, der eben dies beherrscht, kann somit ein ungleich besseres Ergebnis erzielen, als wenn er einfach unüberlegt Befehle erteilen würde.

Auch war mir Vieles anfangs unverständlich, etwa dass nur rund drei Personen auf meiner Arbeitsstelle über einen Führerschein verfügten, der ja heutzutage in Deutschland fast unerlässlich ist. Bald stellte sich aber heraus, dass in Paraguay der Transport mit Bus oder Moped in keinster Weise dem Automobil unterlegen ist. Außerdem gab es durch die bereits angesprochene Arbeitsteilung oft auch keinen Anlass zu einer Großmobilisierung des Personals. Dies war für mich ein Paradebeispiel, dass das Gewohnte nicht immer die einzig richtige oder gar beste Lösung darstellt.

Natürlich werde ich das Gelernte nicht wieder vergessen oder gar ungenutzt verkommen zu lassen. Es gibt meiner Ansicht nach mehrere Möglichkeiten die gesammelten Erfahrungen an den Mann zu bringen. Zunächst gibt es natürlich das allgemeine Gespräch, will sagen, die Möglichkeit zu erzählen, was ich so erlebt habe und wie wichtig Engagement im Allgemeinen überhaupt ist. Weiterhin könnte ich diverse Organisationen wie AFS oder Tierranuestra, meinen vormaligen Arbeitgeber, durch Freiwilligenarbeit, Spenden oder Spendenaufrufen unterstützen. Ferner sehe ich meinen Blog [www.janinparaguay.blogspot.com (Deutsch) oder www.pruegmeister.blogspot.com (Englisch)] als geeignetes Medium, das bereits viele Leute erreichen konnte, um über meine Arbeit und positiven Erfahrungen zu berichten. Außerdem hoffe ich, später einmal verschiedene erfolgreiche Arbeitsweisen, die ich in Asunción kennen lernen durfte, in meinem Beruf umsetzen zu können. Auch die Motivierung der Kollegen sollte nicht zu kurz kommen. Denn das gute Arbeitsklima, das bei uns herrschte, war zwar freundlich und entspannt, aber gleichzeitig auch anregend. Das war meist das Resultat zufriedener Angestellte, die pflichtbewusst und mit Respekt von ihrem Vorgesetzten behandelt wurden. Etwas, das beispielsweise in Deutschland leider noch Mangelware ist.

Dieses Jahr ist sicherlich nicht spurlos an mir vorbeigegangen und hat mir viele interessante Erlebnisse und auch neue Freunde aus aller Welt beschert. All dies geschah durch die Unterstützung von AFS, das in der Abwicklung und Praxis zwar viele Mängel und Fehler an den Tag legte, was aber auch teilweise individuell zu begründen war, sprich an bestimmten Einzelpersonen lag, was mich dazu veranlasst, noch einmal zu betonen, dass der Grundgedanke von AFS, nämlich der interkulturelle Austausch etwas Wunderbares ist, das ich jedem nur ans Herz legen kann. Schließlich ist ja auch niemand perfekt und deshalb nehme ich die Mankos nicht weiter übel, sondern möchte im Gegenteil dabei helfen, das Programm weiter zu verbessern.

Da ich doch sehr kapitalistisch eingestellt bin, habe ich keinesfalls vor, selbst hauptberuflich in der Entwicklungsarbeit tätig zu werden. Dieses Jahr war ein tolles Erlebnis, aber hat nicht für eine völlige Umwälzung meiner Pläne und Prinzipien gesorgt. Dennoch möchte ich etwas zurückgeben. Zwar ist Geld bei mir, wie wohl fast jedem Studenten, eher Mangelware, jedoch würde es mich reizen, bei Vorbereitungsseminaren als Betreuer mit dabei zu sein, wenn es mein Studium zulässt.

Abschließend bin ich sehr dankbar für all das, was ich von meinem Jahr in Paraguay mitnehmen kann und hoffe, auch weiterhin davon profitieren und mein Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen zu können.
Es war ein Schritt ins Ungewisse damals und ich wollte, offen gesagt, auch mehrmals aufgeben. Selbst den „Brief für einen schwarzen Tag“, der uns als Kraftquelle mitgegeben wurde, hatte ich zuhause vergessen. Doch mit Unterstützung der Menschen, die mir nahestehen und meinem nicht zu unterschätzenden Sturkopf habe ich dann doch durchhalten und sogar Spaß haben können. Deshalb freue ich mich, dass die BRD jungen Menschen wie mir etwas Derartiges ermöglicht und es Vereine wie AFS gibt, die einen tatkräftig unterstützen und dabei helfen, das Beste aus sich herauszuholen.

Danke für alles, AFS und "weltwärts"!

2 comments:

  1. Hey Jan,

    ich hatte eigl vor, deinen Abschlussbericht erst am Ende meines Austauschjahres zu lesen, aber da sich langsam eine Art Aufbruchsstimmung breit macht, ist es an der Zeit.
    In vielen Punkten finde ich mich wieder. Ich bin froh, dass du Glueck mit der Fundación hattest, die dich mit Sicherheit auch durch die dunklen Tage deiner Familienturbulenzen gefuehrt hat.
    Ich will mich bedanken, fuer deine offenen und ehrlichen Eindruecke und besonders fuer deine herzliche Hilfsbereitschaft noch vor der Abreise (seitelange Berichte zu meinen nervigen Fragen ;)) und hoffe, dass du weiter so umsichtig deine Ziele verfolgst.
    Liebe Gruesse aus Paraguay, un abrazo Ben

    ReplyDelete

About Me