Tuesday, May 11, 2010

Muttertag in Paraguay (Día de la Madre en el Paraguay)

Um mich mal wieder kurz zu Wort zu melden, moechte ich euch gerne vom meinem hiesigen Muttertagserlebnis erzaehlen.

Das Interessante dabei ist, dass, anders als im grossen Rest der Welt, der Muttertag hier nicht am 8., sondern am 14. Mai gefeiert wird. Dies ist nicht etwa ein Anflug von paraguayischer Eigensinnigkeit, um sich vom Rest der Welt abzusetzen, sondern schlicht historisch bedingt.

So wie viele Laender Suedamerikas frueher formal zu Spanien gehoerten und dann ihre transatlantische Nabelschnur durch politische Reifung kappten, so sagte sich auch Paraguay von der einst riesigen Kolonialmacht am Mittelmeer los.

Am 14. Mai 1811 war es dann soweit: El Paraguay wurde unabhaengig und ehrt dieses denkwuerdige Datum seither jaehrlich durch den "Día de la Patria - la Madre de la gente" (Tag des Vaterlands; der Mutter des Volkes).

Diese Uebersetzung klingt etwas ungewoehnlich, gar gegensaetzlich. Jedoch sollte man einfach die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zur Kenntnis nehmen und sich nicht weiter den Kopf ueber Grammatik zerbrechen. Denn sowohl Vater als auch Mutter sorgen fuer ihr Kind. Die Tatsache, dass in diesem erzkatholischen Land auch die Mutter Gottes eine grosse Rolle spielt, tut ein Uebriges, dem Tag seine grosse Bedeutung zu verleihen.

Gefeiert wird allerdings am 15. Entsprechend war fuer gestern eine kleine Feier auf unserer Terrasse angesetzt. Das Wetter spielte leider nicht so ganz mit und folglich mussten wir etwas naeher an die Hauswand ruecken. Mittlerweile wird es tatsaechlich recht kuehl hier in Asunción. Es war schon lange nicht mehr heiss und nur ab und an ist es jetzt noch warm. Da wir uns hier auf der Suedhalbkugel befinden, haben wir ja nun Herbst, der sich langsam aber sicher in den Winter verwandelt. Dennoch ist das noch lange kein Grund den Nerzmantel auszupacken. Laut meinem Gastpapa liegt der aktuelle paraguayische Temperatur-Negativ-Rekord bei gerade mal -7 Grad; vor einigen Jahren gemessen in der "Stadt des Suedens", Encarnación.
Frost, klirrende Kaelte oder gar Schnee sind den meisten Paraguayern tatsaechlich nur aus den Medien oder von Erzaehlungen bekannt. Es hat mich damals wirklich geschockt, als mir mein Chef Carlos erzaehlte, er habe mit seinen 26 Jahren noch nie Schnee oder das Meer gesehen. Inzwischen hat er allerdings Zentral-Chile besucht, wo beide Naturphaenomene quasi unausweichlich sind.

Doch zurueck zur Familienfeier. Anders als in meinen vorherigen Familien, in denen ich immer wieder bemerken musste, dass Antipathie erblich zu sein scheint, erlebe ich hier das positive Gegenteil und fuehle mich wunderbar aufgehoben und akzeptiert.

Es gab dann ein asado, das mein Onkel muetterlicherseits anheizte und spaeter auch meisterlich servierte. Das Wort asado kommt vom spanischen Verb asar (braten, grillen) und ist im Prinzip wie ein standard Grillevent im deutschen Hochsommer. Es wird auf einer parrilla (Bratrost) gebrutzelt bis es aussen leicht knusprig, innen aber noch zartrosa ist. Das Fleisch, das hier verwendet wird, ist sehr hochwertig und kommt groesstenteils aus dem Chaco, dem noerdlichen, duennbesiedelten Teil Paraguays, der von Mennoniten wirtschaftsfaehig gemacht wurde. Ein sehr interessantes Fleckchen Erde ueber das ihr sicher deutlich mehr wuesstet, wenn ich meine beiden Besuche dorthin bereits niedergeschrieben haette. Ganz ruhig, kommt noch!

Wie gesagt, es ist wahrlich immer wieder eine Freude, sich den Genuessen des paraguayischen Rinds hinzugeben. Auch die Namensliste fuer die verschiedenen Teile von Rind- und Schweinefleisch ist bemerkenswert. Waehrend ich in Deutschland schon nach Kotelette, Filet und Rippchen so ziemlich mit meinem Fleischerlatein am Ende bin, stosse ich doch ernstlich an meine Grenzen, wenn ich gefragt werde, ob ich nun costillas, matambre, chorizo vom Braford oder doch lieber tapa cuadril vom Ratford Rind probieren moechte. Nachdem ich dann nahezu alles verkostet habe, mein Gastvater mich dann aber darauf hinweist, die besten Stuecke verpasst zu haben, kommen mir doch jedes Mal wieder die Traenen. Wie dem auch sei, ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert und beglueckwuensche mich, kein Vegetarier sein zu muessen.

Nebenbei bemerkt, stelle ich es mir aber tatsaechlich recht schwer vor, als Fleischveraechter oder gar Veganer in dieses Land zu kommen. Waehrend besser gestellte Familien sicherlich keine groesseren Probleme damit haetten, so gehe ich schwer davon aus, dass einem das Gros der Bevoelkerung mit Unverstaendnis, ja vielleicht sogar Argwohn begegnen wuerde. Schliesslich ist der Verzehr von gekochtem Fleisch ein integrativer Teil dieser Kultur. Nicht nur gilt das Fleisch hier als besonders rein (nicht, dass das Geld fuer ausgedehnte Hormonkuren ueberhaupt da waere!) und schmackhaft, vielmehr ist das Familienessen auch tief in die Kultur mit eingewoben. Wenn nun ein Auslaender mit seinen seltsamen Extrawuenschen kommt, kann dies sicherlich zu Konflikten fuehren, je nachdem, wer da aufeinanderprallt.
Weiterhin lehnt man damit ja auch offen einen Teil des Gastlandes ab. Doch auch spielt die Art der Familie, in die man gesteckt wird, eine wichtige Rolle.
Waehrend meine ersten beiden Familien sicher nicht die Beweggruende eines Vegetariers haetten nachvollziehen koennen oder wollen, so waere mein jetziger Haushalt sicherlich tolerant und verstaendnisvoll genug, um die Lebensweise eines "Andersessenden" zu begreifen. Mein Gastvater macht im Moment sogar eine Atkins-Diaet, die von manchen sogar in Europa als neumodischer Firlefanz betrachtet wird. Ueber deren Wirksamkeit moechte ich mich hier allerdings nicht weiter befassen, da dieser Artikel sonst niemals enden wuerde.

Ein weiteres wichtiges Utensil der Kueche Paraguays ist neben der parrilla der sogenannte tatakua (lies "tataquá"). Dieses Wort kommt, wie sich manche sicherlich schon denken koennen, aus der Eingeborenensprache Guaraní und bedeutet Feuerloch (tata = Feuer; kua = Loch). Dieser Name ist auch recht passend, da es sich hierbei um einen primitiven Ofen handelt, der schon seit langer Zeit als Kochstelle dient und auch heute noch vor allem in laendlichen Regionen Verwendung findet.
Das Prinzip dabei ist einfach wie effektiv: Man baut eine hohle Halbkugel aus Backsteinen (ladrillos), die mit einem Ton-Zement Gemisch zusammengehalten werden. Wie man hoert verwenden besonders faehige Baumeister zusaetzlich noch Asche und miel de caña (Zuckerrohrhonig), auch miel negra (schwarzer Honig) genannt. Bei Letzterem handelt es sich um die noch unfiltrierte Melasse, die ein Zwischenprodukt bei der Zuckergewinnung darstellt. Asche und miel sorgen dafuer, dass der tatakua eine gewisse Elastizitaet beibehaelt und bei hohen Druck- und Temperaturschwankungen keine Risse bildet.
Im Inneren wird dann ein Feuer entzuendet, das den Oeko-Ofen stetig aufheizt. Sobald die gewuenschte Temperatur erreicht ist, wird ein Teil der Glut und Asche mit einem Schaber entfernt und durch das zu kochende Gericht ersetzt.

Tatakua - der traditionelle Backofen Paraguays

Drei Gerichte werden ganz besonders gerne und haeufig auf diese Weise zubereitet:

1. Sopa Paraguaya (Paraguayische Suppe) - Anders als der Name vielleicht vermuten laesst, handelt es sich hierbei nicht etwa um einen Eintopf oder gar eine fluessige Bruehe, sondern vielmehr um eine Art herzhaften Kuchen aus Eiern, Mehl, Zwiebeln, Milch und Gewuerzen. Nicht zuletzt bruesten sich die Paraguayer immer wieder damit, im einzigen Land zu leben, in dem die Suppe fest sei. Wenn gut gemacht, ist die sopa eine meiner absoluten Lieblingsspeisen, auch wenn sie recht schwer und etwas fettig ist. Schlecht zubereitet ist sie aber kaum geniessbar.

2. Chipa (Guasu) - Chipas sind donut- bis adventskranzgrosse Ringe aus einem Kaese-Mehl-Milch Mix. Sie werden ueberall auf der Strasse oder an Imbissen zum Verkauf angeboten. Mir persoenlich schmecken sie extrem gut und ich werde versuchen ein Rezept mit nach Deutschland zu nehmen und jemanden finden, der sie mir dann auch backt. Am besten schmecken sie ofenwarm. Weniger Spass macht das Geniessen am naechsten Tag, da sie dann hart und broecklig sind.
Chipa Guasu (guasu, Guaraní fuer "gross") hingegen ist eine andere Speise, die ausser dem Namen wenig mit regulaeren chipas gemein hat. Es ist die Bezeichnung fuer eine Art Maiskuchen, der vor allem mit Milch gemacht wird. Optisch ist sie auch leicht mit der sopa zu verwechseln. Nur geschmacklich merkt man schnell den Unterschied. Chipa guasu ist irgendwie ueberhaupt nicht lecker. Anders als die sopa, deren Qualitaet vom Koch abhaengt, kann man das guasu Rezept meiner Ansicht nach kaum retten. Das Beste ist es, ein Geschmack ueberdeckendes Getraenk parat zu haben. Anfangs dachte ich sogar, sopa und chipa guasu seien identisch, nur dass manche sopa-Stuecke einfach nicht so gut gelungen oder schon verranzt seien. Den Irrtum habe ich inzwischen aber erkannt.

3. Maniok (spanisch "mandioca/yuca"; Guaraní "mandi'o") - Die Knolle des Cassavestrauchs, die ungekocht toedliche Blausaeure enthaelt, ist ein wichtiger Bestandteil der hiesigen Speisekarte. Sie wird entweder wie Kartoffeln gekocht oder im Ofen knusprig gebacken als Pommes serviert. Im Geschmack kann man sie auch eindeutig mit der heimischen "Krumbeer" vergleichen, wobei immer wieder zaehe kleine Fasern auftauchen, die man zuvor entfernen sollte.


Von unserer kleinen gastronomischen Rundreise kommen wir nun wieder zurueck zu unserer Familienrunde. Es war, wie bereits erwaehnt, eine nette Versammlung mit viel Essen. Als ich mich gerade vollgestopft zu einem Samstagnachmittagsschlaefchen begeben wollte, wurde mein Blutkreislauf allerdings ploetzlich von einem Adrenalinstoss angefeuert.
Es wurden mehrere Kuchen hervorgeholt, auf denen jeweils Kerzen standen. Des Weiteren sang man auf einmal "Cumpleaños Feliz" (Happy Birthday) und liess meine Gastmama die Kerzen ausblasen. "NIE IM LEBEN! Hat die heut Geburtstag?", ueberlegte ich erschrocken. Ich hatte ihr ja nicht einmal gratuliert. Super peinlich! Gluecklicherweise hatte ich noch mein Facebook offen und rannte unbemerkt schnell hoch an den PC und suchte das Profil meiner Gastmama, das ich ihr gluecklicherweise vor einiger Zeit eingerichtet hatte. Facebook ist bei solchen Dingen wirklich ueberaus hilfreich. Ich sah naemlich, dass sie erst im Oktober Geburtstag hat. Entspannt und laechelnd ging ich dann die Treppe hinunter und machte wieder einen auf den laessigen Typ, der ich bin und liess mir Nachtisch geben. Spaeter erfuhr ich, dass den Muettern wohl zur Feier des Tages ein Lied gesungen wird.

Spaeter am Abend, als alle Gaeste schon gegangen waren, gab ich meiner Gastmutter dann noch ein kleines Geschenk mit einem Briefchen. Sie freute sich sehr und man sah ihr an, dass sie nicht damit gerechnet hatte. Der schoene Moment wurde dann aber von meinem kleinsten Gastbruder unterbrochen, der laut wuergend an uns vorbeirannte, um sich dann auf der Toilette das Festessen nochmals durch den Kopf gehen zu lassen. Er hatte wohl zuviel morcilla, Blutwurst, gegessen.

2 comments:

  1. Hallo Jan,
    über einen Link im Blog meines Neffen Julian (z.Zt.in Kolumbien) bin ich schon vor längerer Zeit auf diese Seiten hier geraten.
    Inzwischen habe ich alle Beiträge gelesen und finde sie einfach nur interessant und sehr informativ. Die beschriebenen Erlebnisse machen Lust auf eine Reise nach Paraguay. Ebenfalls sehr willkommen war der literarische Tipp zu Paulo Coelho (den "Alchimisten" habe ich mir inzwischen bestellt).
    Weniger nett finde ich Dein Pech mit den Gastfamilien, hoffentlich läßt Du Dir diese Erfahrungen nicht allzusehr zu Herzen gehen (Rindviecher gibts überall).
    Gratulation zu diesem tollen Blog und vielen Dank für die mit dem Verfassen verbundene Mühe.
    Elmar Jahn aus Vaterstetten bei München

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  2. Hey Jan, hier das gleiche mit dem Fleisch... ach Gott man könnte noch über sooooooooo vieles einen Blogeintrag schreiben, stattdessen kämpfe ich immer noch mit meinen Reisen vom Januar ;)
    Bei uns ist es immer noch warm und so geht mein Laptop durch die mangelhafte Belüftung regelmäßig alle 2 Wochen kaputt.

    Lars

    PS. Ist mein Blog nicht mehr verlinkenswert? ;)

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