Tuesday, January 26, 2010

Ein Tag in der saubersten Stadt der Welt

Wie bitte? Hab ich da richtig gehoert? Dieser "Wunderknabe meets Teufelskerl" kriegt wohl nicht genug und muss jetzt einen weiteren, fast unglaublichen Superlativ von der Stange lassen. Die sauberste Stadt der Welt? Nun zugegeben, es ist schon einige Jahre her, dass der paraguayischen Kleinstadt Atyra dieser Titel verliehen wurde. Mittlerweile hat sich da bestimmt eine US-Vorstadt an uns Tereré-Trinkern vorbeigemogelt. Aber dennoch, nach wie vor ist Atyra #1 in Paraguay.
Wenn man mich fragt, ist das aber alles Propaganda. Als ob es hier so sauber waer. Noch dazu sauberer als bei uns daheim in Deutschland, wo noch Zucht und Ordnung herrschen. Ich erwische mich jedesmal beim Durchfahren dieses Ortes nach Muell auf Strassen suchend. Erspaehe ich dann auch nur ein Bonbonpapier kann ich mir ein selbstgefaelliges Grinsen nicht verkneifen. Dennoch ist die Stadt verglichen mit dem Rest des Landes tatsaechlich auffaellig sauberer.

Atyra bei Sonnenschein mit Party-See im Hintergrund

Der Grund, warum ich diese Stadt ueberhaupt ins Gespraech bringe, ist, weil ich gestern einen Tag dort auf der Quinta (sp. fuer "Landhaus", lies "Kinta") meines Onkels verbracht habe. Mitgenommen haben mich mein Gastbruder Enrico und mein Gastvater Jorge. War sehr cool. Wir sind etwa eine Stunde mit dem alten Pick-Up Truck meines Onkels von Asunción aus dorthin gefahren, um ein Quad zu uns nach Hause zu transportieren. Warum? Ganz einfach. Mein Gastbruder muss im Moment noch zu einem Privatlehrer. Fuer ihn gehts ja bald nach Deutschland. Daher wird jetzt, waehrend die anderen Ferien haben, ordentlich gepaukt. Der Weg zum Lehrer ist etwas weit. Auf Bus und Laufen hat er keinen Bock. Loesung: Mim Quad zum Pauken brettern. Auch geil. Fuehrerschein? Wird sowieso total ueberwertet. Außerdem fährt ein Quad mit Benzin und nicht mir Führerschein.

Aber ich greife vor. Wir kamen an der Quinta an und sofort stiessen wir auf das Portal, das uns entgegen laechelte. Verwoben in das gusseiserne Tor waren die Worte "Las Trillizas" (sp. fuer "Die Drillinge", da er Drillingstoechter hat).
Kaum ausgestiegen (ich musste warten, weil mich hinten die Kindersicherung nicht rausliess), kamen dann auch schon die drei Hunde des Gutshofs. Einer davon ist ein goldener Labrador namens Scott. Total suess, wenn auch etwas haessliche Augenpartie. Warn alle total lieb und ham mich auch angesprungen. So muss es sein. Die andern beiden waren ein Schaeferhund (Linda) und ein mittelgrosser Mischling (Roy).
An dieser Stelle moechte ich nochmal erwaehen, dass ich kleine Hunde (ausser Welpen natuerlich) aller Arten und Farben verabscheue. Drecksviecher! Ich kann nicht verstehen, warum man sich so einen dummen Klaeffer holt, der nur jault, zwischen den Beinen rumlaeuft und meist noch haesslich ist. Also mein Vorschlag zur Guete. Bitte alle nur noch mindestens mittelgrosse Koeter anschaffen, dann sterben die kleinen vielleicht mal aus.
Zureck zum Thema. Dort angekommen hat mich Enrico erstmal rumgefuehrt. Insgesamt ist das Grundstueck sehr gross und auch gut von den Hausangestellten gepflegt. Es gibt ein Trampolin, mehrere Spielplaetze fuer die Maedchen, ein natuerliches Schwimmbad, das sich fuellt, wenn man den Bachlauf aendert, und viele viele viele Obstbaeume. Am hoeher gelegenen Obsthain angekommen, haben wir erst mal Sternfrucht (auch Karambole genannt) und Guayaba gegessen. Letztere hab ich an jenem Tag zum ersten Mal gesehen. Keine Ahnung wie sie auf Deutsch oder Englisch heisst. Ich vermute, dass selbst der Name "Guayaba" Guaraní und nicht Spanisch ist. Es ist eine kleine, mirabellengrosse Frucht, die im Inneren etwas wie ein Granatapfel aussieht, aber keine harten Kerne hat. Der Geschmack ist ebenfalls unbeschreiblich; leicht suess und zitronig kaeme noch am naechsten. Glaube auch nicht, dass diese Frucht nach Deutschland exportiert wird. In diese Situation bin ich hier schon oefter gekommen. Es gibt Gerueche und Geschmaecker, die ungleich allem sind, was man in Deutschland oder auch den USA vorfindet. Ein tolles Erlebnis. Das erinnert einen immer wieder daran, wie gross und unbekannt die Welt wirklich ist. Meine Gastfamilie hat mir auch erzaehlt, dass es eine todsichere Methode gibt, zu wissen, ob die Fruechte reif sind. Wenn sich die Larven einer bestimmten Fruchtfliege im Inneren tummeln, dann ist es soweit. Die kleinen Krabbler werden natuerlich mitverspeist. Um seinen Punkt zu beweisen, zeigte mir spaeter mein Gastvater eine geoeffnete Frucht mit der kleinen weisslichen, sich windenden Made. Dann ass er sie. Standard. Ich musste fast kotzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon mehrere Exemplare gegessen.


Karambola oder auch Sternfrucht

Kurz darauf wurden wir beide zum Fruechtesammeln losgeschickt. Enrico kramte dafuer das Mini-Quad seiner Cousinen hervor. Ob Mini oder nicht, das Ding faehrt auf jeden Fall an die 50 km/h. Er bat mich, hinten aufzusteigen. Wir fuhren los und da ich mich nirgendwo festhalten konnte, fiel ich direkt runter. Unschoen. Naja, ich bin eigentlich eine sehr vorsichtige Person. Habe mir noch nie etwas gebrochen und verletze mich sehr selten aus eigenem Verschulden. Auch habe ich nie ein Mofa, Moped, Roller etc. besessen und verfuege nicht ueber eine enge persoenliche Bindung mit Freizeitfahrzeugen. Kurz gesagt, ich hatte keinen Bock dem Scheissding nochmal naeher zu kommen. Das wurde auch nicht besser, als mich mein Gastbruder ein paar mal fast umfuhr. Auf jeden Fall gab es eine Sache, die meine Meinung aenderte: Es gab Kuehe. That's right, baby! Und sie haben Schiss vor Quads. Sofort hatte ich die selbe Idee, die auch aeltere Herrschaften haben bevor sie einen Strip-Club frequentieren: Euterjagd! :-D
Enrico machte es vor. Das Gaspedal durchgedrueckt und die Kuh zum Gallopieren gebracht. Bevor es soweit war, uebte ich aber noch auf einem kleinen Fussballplatz (mitten im Urwald auf nem Gutshof?! Keine Ahnung, was der da zu suchen hat). Mein Gastbruder machte in der Zwischenzeit ein Gatter auf, das einen Hund und noch eine Kuh einsperrten und wo auch die gesuchten Fruechte zu finden waren. Nein, Moment...zwei Hunde. Das is doch keine Kuh. Alter, was fuer ein Riesenvieh! Ich hab schon 7.-Klaessler gesehen, die kleiner waren.
Die Rasse etwa!

Ok, also erstmal Fruechte sammeln. Wir schlossen das Gatter wieder zu und suchen. Guayabas und Limonen. Kein Ding. Oder doch? Mein Gastbruder hatte keine Ahnung, wo welche Frucht waechst und ich kannte die eine Frucht erst seit zehn Minuten. Er liess seinem Unmut dann auch mit entsprechenden Phrasen freien Lauf, die meine Vokabelliste wieder ordentlich erweiterte. Es fielen aber auch mehrfach Klassiker wie "puta madre" oder "arbol de mierda". Schliesslich ueberzeugte ich ihn davon, zu wissen, wo die Limonen zu finden waren. Bei absolutem Unwissen voellige Selbstsicherheit ausstrahlen. So kommt man immer weiter. Spaeter stellte sich heraus, dass wir vor allem Pampelmusen gesammelt hatten. Nur ein paar wenige Limonen. Mein Gastpapa war nicht sehr "amused". Auf jeden Fall stellten wir bei der Rueckkehr fest, dass sich drei Kuehe und ein junger Stier am Quad zu schaffen machten. Nenn es Rache, nenn es Sabotage. Auf jeden Fall waren die Steaks auf Beinen recht dreist. Mein Gastbruder drohte ihnen mit dem Freilassen der Hundkuh. Wie ich spaeter erfuhr gab es frueher drei von denen und einmal brachen sie nachts aus und toeteten eine Kuh und frassen sie halb auf. Aber ich solle keine Angst haben. Der wolle nur spielen. Yo, leck mich! Ich will hier raus. Aber eigentlich hat er echt nicht so den aggressiven Eindruck gemacht und lieber als diese hinterlistigen Wiederkaeuer war er mir allemal.
Wir kamen also wieder durch das Gatter und Enrico zuendete den Motor und die Kuehe hauten ab!

Danach hab ich mir noch ein geiles Buch von der Kollektion meines Onkels aussuchen duerfen (was mir mein GastVATER erlaubte, der dort ueber keinerlei Eigentumsrecht verfuegt!) und dann gings wieder ab nach Asunción. Auf dem Weg gabs mal wieder nur Reggaeton und Lady Gaga im Radio, die aber adaequat von meinem Gastpapa und mir verschmaeht wurden!

In diesem Sinne,

bis bald, Caballeros! :-)

1 comment:

  1. Pass bloß auf dich auf, meine Tochter ist nach 5 Monaten von AFS nach Hause geschickt worden, weil sie auf Drängen der Gastmutter eben diese hintendrauf sitzend mit dem Roller nach einer feucht-fröhlichen Party nach Hause gefahren hat! Da half kein Bitten und kein Flehen! Lieben Gruß und guten Aufenthalt noch! Petra K.

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